Ruse 23.5. 39 0
Tutrakan 24.5. 40 61,09
Silistra 25. Mai 41 65,9
Cernovoda 26. Mai 42 108
Daeni 27.5. 43 80,29
Braila 28.5. 44 85,25
Braila 29.5. 45 0
Ich schmeisse euch die Fakten und die Statistik hier zu erst einmal hin. Ich brauche das auch selber zur Orientierung. Das waren wieder 5 Reisetage voller Eindrücke, Qualen und Freuden, und neuen Bekanntschaften.
Heute am Mittwoch den 29.Mai, ich sitze auf dem Bett meiner Pension in Braila, komme ich erst zu meinem Tagebuch. Es wurde Zeit. So viele Gedanken und Erinnerungen, schon einmal im Geiste vorformulierte Sätze verschwimmen, Eindrücke verblassen, bekommen unter den vielen Kilometern und Folgetage einen neuen, anderen Stellenwert. Schreibe ich sie noch nieder, konzentriere ich mich auf andere Punkte? Das Ergebnis kenne ich auch erst in ein paar Stunden, wenn ich den Computer geschlossen habe, die Bilder bearbeitet, den fertigen Text hochgeladen.
22.Mai und 23.Mai
Ich hatte mir 2 Ruhetage in Ruse gegönnt
24. Mai
Fahrt nach Tutrakan 61 Kilometer, (Landstraße, etwas Verkehr, trocken, ging sehr schnell
25. Mai
Tutrakan nach Silistra auch nur 65 Kilometer waren auch einfach (Grenzort zu Rumänien)
26. Mai
von Silistra nach Cernovoda 108 Kilometer verdammt hart und mit über 1000 Höhenmeter
27. Mai
Von Cernovoda nach Daeni auch gute 80 Kilometer, auch echt anstrengend , wieder gute 800 Höhenmeter
28. Mai
Von Daeni nach Braila
Wieder gute 80 Kilometer, teilweise extrem harter Gegenwind, ansonsten aber eine schöne Fahrt
Kommen wir zurück nach Ruse
Es ist schon ein verdammter, unendlicher Luxus, in dem ich hier schwebe.
Ich hatte zwei wunderbare Abendessen in einem Restaurant. Catfish, Wells, Waller und an dem einen Tag und an dem zweiten Abend Muscheln aus dem schwarzen Meer, ausgesprochen toll, so unvergleichlich besser, (leider) als unsere norddeutschen. Es gab dazu, ich weiß nicht wie und ich weiß nicht woher sie ihn hatten, einen selbst gemachten, leckeren, erfrischenden Weißwein. Beide Tage bei wunderbarem Wetter, die Menschen in Ruse nett, freundlich offen. Eine Stadt mit Atmosphäre, einzelne Häuser mit morbiden Charme, langer Historie, Eleganz, junge Menschen spürbar aufstrebend, die Zukunft begehrend.
Auffallend viele junge Menschen, auffallend viele junge Mütter mit kleinen Kindern, Kinderwagen, entspannte Atmosphäre in den Cafés, Restaurants, den Parks, auf dem großen zentralen Platz. Jeder lässt jeden hier leben, ist höflich, freundlich, zurückhaltend. Ich hatte Ruhe, Zeit zum Lesen und sinnieren.
Man kann sich hier festsetzen, bequem werden, es wird schwer sich wieder aufzuraffen, so angenehm.
24.5
Ich wollte weiter. Die Argentinier hatten einen anderen Rhythmus, liessen sich nicht blicken, ich startete wieder alleine.
Zuerst fiel es mir schwer. Mein Eintrag, meine Gedanken zu meiner Geschichte, Bemerkungen in dem letzten Tagebucheintrag, hatte Nachwirkungen. Die Seele, das Herz war berührt worden, Erinnerungen geweckt, Verletzungen kamen hoch, kleine Narben juckten, meldeten sich.
Ich träumte, die Nacht war durchzogen von Anstrengung.
Tutrakan, die Entfernung kam mir sehr gelegen, nicht so weit das man ehrfürchtig an eine Etappe hätte gehen müssen, nur 61 km, weit genug um mich durch schnellen Tritt, schneller, Fahrt und Anstrengung auf andere Gedanken bringen zu können.
Das erste Hotel im Ort war gut genug. Abendessen im angegliederten Restaurant, ein Gewitter zog herüber, der Blick aus der dritten Etage über die Auen, der sanft fließenden Donau, beendeten den Tag stimmungsreich, mit den noch auf dem Herzen liegenden Bildern.
25.5
Ein neuer Radfahrer kreuzte auf. Richard.
Weiterfahrt mit Richard nach Silistra.
Das ist gut.
Silistra – Grenzort zu Rumänien.
Wir nehmen wieder das erste Hotel, waren zu bequem, verglichen das Angebot nicht mehr mit anderen, prüften nicht mehr den Komfort, vergewisserten uns nicht mehr der Tatkraft des Restaurants und dem angebotenen Frühstücksservice, waren mit dem ersten Eindruck zu frieden, waren zum Schluss enttäuscht, genervt, wütend und auf uns selber sauer.
Schmutz, eine tote Kakerlake, eine gebrauchte, alte Weiberunterhose, hing vergessen noch am Handtuchhalter, das Restaurant öffnete erst gar nicht, Frühstück gab es keins.
Ich fühlte mich verarscht.
Entschädigend aber war der Abend am Fluss, der Sonnenuntergang, das Abendessen in einem anderen, einem geöffnetem Restaurant und die Begegnungen in der Stadt.
Die Reise, das Gefühl der Reise, nahm für mich eine spürbare Wandlung.
War es vorher stark von Aufbruch, Aufwand und Mühe bestimmt, dem Druck der Überwindung, sich aufzuraffen, weiter zu fahren, durchzuhalten,
brachte der Abend am Strom, das Bierchen zum Feierabend, die letzten Strahlen der im Westen untergehenden Sonne etwas von der süße des Fernwehs.
Mit Richard 26.Mai nach Cernavoda
Es gab drei unterschiedliche Möglichkeiten, Richtung der Ukraine, für mich weiter zu kommen. Eine direkte Linie, glatt, bequeme 170 bis nach Galati, wahrscheinlich auch eher langweilige, oder über Konstanza, ein viel weiterer Weg, vielleicht zu lang, da ich am 5 Juni gerne in Odessa sein möchte, oder den mittleren, der Donau auf der gebirgigen Seite, anspruchsvoll wellig, abwechslungsreich, folgend.
Wir nahmen, ich stimmte ahnungslos zu, die brutale Tour.
Über 108 Kilometern und 1030 Höhenmeter in 7 Stunden
Ein sehr warmes Wetter, 28 Grad Celsius, nur ein lauer Luftzug, – das ständige rauf und runter, erschwerten den Tag.
Dann kamen wir in Cernavoda an. Jedes Zentrum nahe Hotel war geschlossen. Eine umständliche Suche brachte schlussendlich, außerhalb der Stadt, neben dem AKW Erfolg. Zwei Hunde Attacke sollten, eine Meute von einem halben Dutzend wilder Köter, zähnefletschend griffen an, der Abschluss des Tagesfahrt sein.
Man kann und sollte nicht zu flüchten versuchen. Ein direkter Angriff auf die kleinen Bestien, sofortiges Abbremsen der Räder, beide Füße auf den Boden, die Augen auf die Angreifer fixieren, anbrüllen und möglichst auch mit einem Steinwurf drohen, erschrecken und verängstigen die kläffenden Hunde. Es gehört zu Anfang ein bisschen Mut und Selbstbewusstsein dazu, aber es ist das sicherste und zwingt die irritierten Angreifer selber zur Flucht.
27.Mai von Cernavoda, weiter Richtung Galati, bis nach Daeni
Die Strecke war wieder sehr anspruchsvoll, zäh, meine Motivation war auf dem ersten Drittel bald gegen null. Es sollte sich legen. Aber es war lang und belastend.
Gelegenheit eine der schönen Seiten, eine Begegnung, Gastfreundlichkeit, zu erwähnen.
Im Ort Daeni, die Infrastruktur ist bis auf die zwei Kneipen und dem Supermarkt, auf null runter gefahren worden, wir orientierten uns gerade, schauten auf die Straßenkarte, überlegten weiter zu fahren oder sprachlos einfach stehen zu bleiben, kam ein Mann lächelnd auf uns zu, fragend, staunend, was wir in dem Ort suchen, erwarten würden.
Nein, Zimmer oder Pensionen gäbe es keine, wir könnten in seinem Hause übernachten. Ich hatte mich auf eine Nacht im Zelt, am seichten Ufer der Donau, innerlich etwas gefreut, eingestellt.
Zu Gast, privat, in eines der aus Lös und Lehmziegeln gebauten alten Häuser, Einblick in die Lebensweise, Wohnung, einen geselligen Abend, zu bekommen, versprach eine wunderbare Erfahrung, eine Bereicherung der Reise.
Lorenzo ungefähr in unserem Alter, gebildet, interessiert an Photographie, Essen, Kultur und Reisen, war nur für zwei Tage, aus bürokratischen Gründen, etwas mit dem Grundstück musste behördlich geklärt werden, zu seinem Elternhaus, aus Bukarest kommend, angereist.
Er sagte „You are lucky“ weil nur jetzt wäre er dort und nur so konnte er uns beherbergen – und ja wir waren lucky.
Wir, (ich), kochten zusammen, aßen, tranken, schwatzen und lachten.
28.Mai
Zum Frühstück, backte er eine Pie aus Käse und Ei, kochte einen starken leckeren türkischen Kaffee und schickte uns, gestärkt, beseelt mit den besten Wüschen und Segen auf die nächste Etappe. Begegnungen die kommen, die man nicht planen kann, die sich ereignen, Begegnungen, Ereignisse die sich fügen. Alles ist im Fluss.
Die letzte Etappe bis Braila, von ein paar Kilometern mit extremen Gegenwind gezeichnet, verlief locker.
Ganz anders hingegen die Suche nach einer Unterkunft in Braila, sie war kompliziert, ausverkaufte Hotels und mit unverschämten Preisen gekrönt.
Ich möchte gerne zum schreiben kommen, Wäsche waschen und mich auf den nächsten Abschnitt, der Ukraine, vorbereiten. Zum Schluss habe ich meine Suche, im Grand Hotel, (ohne Liftboy) für eine Nacht, aufgegeben.
29.Mai Ruhetag. 15:00
Eine neue, günstigere Unterkunft ist bezogen, die Wäsche ist in einer Maschine, der Text ist geschrieben, jetzt noch ein paar Bilder raussuchen..und dann ein Spaziergang durch den Ort.
Es gab so viele beeindruckende Gebäude, die ich gerne noch im Tageslicht in Augenschein nehmen möchte.
Ach ja und morgen geht es dann durch Moldavien, im Transit, in die Ukraine. Ein neuer Abschnitt der Reise beginnt. Ich kann es noch nicht genau beschreiben, aber es ist ein neuer, eine neue Stufe, der Reise.
So fühlt es sich an.
Text habe ich kein zweites mal mehr Korrektur gelesen.. müsst ihr mit klar kommen.