10. September 2019 Pamir

Dienstag 10. September 2019 26/29 Pamir
Ein Abenteuer ist ein Unterfangen mit ungewissem Ausgang
Boris
Über den Ak Baital Pass 4655 m nach Karakul
19,09 km 2 Std 8,85 Durchschnitt 368 hm

Ich wusste nicht wo die Hektik am Morgen herkam. Ich war langsamer. Stefano verabschiedete sich schon recht frühzeitig. Ich hatte weder gefrühstückt noch gepackt.

Schnee lag in der Luft.

Sorge um den aufkommenden Wind, die ungewisse Steigung, die Suche nach Wasser trieb alle, nachdem ich auch mit den Gedanken auch angesteckt worden bin, an.
Gestartet bin ich aber dann doch alleine, ließ sie ziehen, ließ mich nicht beirren. Nur mit meinem Tempo würde ich den Pass schaffen.

Sieben Kilometer waren es bis zu dem Schild mit der Höhenangabe, Ak -Baital Pass 4655 m, es steht gute 200 bis 300 Höhenmeter unter dem eigentlichen Pass, vor den starken Steigung

Eine Hirtenfamilie, so schätzte ich die kleine Ansiedlung, betrieb zum verbesserten Unterhalt ein kleines sehr einfaches Homestay, man konnte Wasser erhalten, Chai, etwas Brot und auch ein Nachtlager, eine Unterkunft finden.

Wasser, Tee und etwas Ruhe. Dass passte mir. In der kleinen Gastwirtschaft traf ich auf ein junges französisches Pärchen. Sie ruhten auch, brauchten Zeit der Erholung die letzten 300 Höhenmeter angehen zu können. 3 Kilometer bis nach oben.
Wir gingen zusammen, ermutigten uns gemeinsam. Erreichten gemeinsam den Pass. Es war unglaublich anstrengend. Eine Stunde mag es gewesen sein, brauchte ich.
Trotzdem, ich war oben. Es wurden Photos gemacht, etwas gelacht und gratuliert, doch der kalte Wind vertrieb uns bald von der Kuppe.

Eine sehr holprige Piste, Wellblech, Sand und Schotter führte runter. Bei der Geschwindigkeit, abwärts, war es verständlich das sich Schrauben lösen, das man Sachen verliert, herausgeschüttelt aus offenen Taschen.

Es wurde Zeit, nach dem anstrengenden Anstieg, der Kräfte zehrenden Kälte, der langen Abfahrt, für eine kleine Pause, für eine heiße Suppe. Ich lud die beiden Mitstreiter ein, ich hatte einen Kocher und auch noch 2 Suppen, von denen ich gerne etwas abgeben wollte.

Auf einem Betonsockel neben der Straße, wir fanden keinen angenehmen Windschutz, baute ich den Kocher auf, schmiss die Fertigsuppe zu dem Wasser und wollte aus meinem Tagesrucksack, er wurde immer oben auf meiner Zeltrolle aufgeschnallt, ein paar Kekse nehmen.

Die Tasche war weg.
Verloren, heruntergerüttelt, aus 2 straffen haltenden Bändern heraus gefallen.
Was tun? Aufgeben?
Ich wollte den Berg nicht mehr rauf.

Ein alter russischer kleiner UAZ, ein Kastenbrot, wie die Russen liebevoll die scheinbar unverwüstlichen Ungetüme nennen, kam nach längerer Zeit. Der erste und einzige Wagen des Tages.

Ich hielt das Fahrzeug an und bat mich zu meiner verlorenen Tasche zu bringen, lies die beiden Franzosen, mein Rad und meine ganze Ausrüstung, mein Essen kurzer Hand in der Annahme eines nur kurzem Unterfangen, zurück. Die Chance, mit einem Wagen zu der Tasche zu kommen, den Berg rauf, musste ich nutzen.

Wir fanden sie.

Nach ungefähr 5 Kilometer lag sie auf der Straße.

Der Beifahrer stieg aus, holte sie, gab sie mir und bat mich nun ihm zu helfen. Er sei Boris, aus Russland, er hatte einen Motorradunfall. Nur ungefähr in 5 Kilometern würde sein Motorrad liegen, er brauche Hilfe es auf die Lkw Pritsche zu verladen.

Das wollte ich gerne machen.

Nun, es waren nur leider keine 5 Kilometer. Es zog sich immer länger, mein Unmut wuchs, ich wurde auch unsicher ob es überhaupt einen Motorradunfall gegeben hatte, ob es einen anderen Grund gäbe, einen scheinheiliger Vorwand.

Was sollte ich tun. Abspringen. Zum Anhalten zwingen. Abwarten.

Vertrauen und aufs Bauchgefühl hören.

35 Kilometer, nach bald eine Stunde Fahrzeit entfernt, wir hatten den Ak-Baital Pass schon lange wieder überfahren, stand eine kaputte Kawasaki. Ich betrachtete die Piste, die eingeschlagene Frontscheibe, die Schäden an dem Bike. Ich konnte Boris seine Verzweiflung und seine Bitte um Hilfe verstehen. Er brauchte Hilfe.

Der UAZ wurde abseits der Straße, über den Geröllhügel gelenkt, so dass die Pritsche sich im Verhältnis zu dem Niveau der Straße senkte. Wir wuchteten das Wrack auf die Pritsche, Boris setze sich nach hinten, gab mir den warmen, windstillen Beifahrersitz.

Die Fahrt zurück begann.

Hatten die Franzosen gegessen, gewartet? Sie saßen draußen im eiskalten Wind? Ohne Schutz. Ich machte mir Sorgen, Gedanken. Was werden sie gedacht haben?
Zweieinhalbstunden später war ich zurück. Ich war nervös.

Niemand mehr da.
Mein Rad stand da, der Kocher nicht genutzt, das Essen nicht gegessen, meine Kamera in der Lenkertasche, mein Rad, meine ganze Ausrüstung.   Alles da.
Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Was sollten sie tun? Was hätten sie tun können?
Sie hatten die Sachen etwas zusammengepackt, vor dem Wind teils mit Steinen beschwert.
Der Tag verging, das Wetter unangenehm, die Lage unbekannt, sie mussten sich um sich kümmern.

Alleine wollte ich nicht weiter radeln, nahm das Angebot von Boris an mit ihm mit dem UAZ nach Karakul zu fahren.
Nach 20 Kilometern sah ich die Räder der beiden Franzosen am Wegesrand vor einer Behausung liegen. Ich bat zu halten, ging runter und fand die Beiden in ihrem Unterschlupf.
Sie wollten schon die Polizei holen sagten sie, mich suchen lassen, sie waren unschlüssig und kurz vor Verzweiflung, was hätten sie tun sollen, können?
Ich beruhigte sie, denn nun hat sich alles für alle zum Guten gewendet. Sie haben ein Dach über den Kopf, Ihnen, Boris und mir ging es gut, das Motorrad gefunden und verladen und ich hatte nicht nur die eine Tasche gefunden, auch meine ganze Ausrüstung zurück.

 

So musste es sein. So sollte es sein. Wer hätte morgens das gedacht was der Tag bringt.

Mit Zuversicht und gutem Willen wird alles gut.

 

In Murghab steuerte ich direkt die Unterkunft, die mich vor 8 Jahren beherbergte, an. Es hat sich kaum etwas geändert. Die Mutter schafft immer noch, ob es den Alten noch irgendwo gibt konnte ich nicht ersehen, die junge Frau von damals stellte sich als die Schwester derer die nun heute hier schafft heraus….ansonsten ist alles beim alten.. die scheinbar verlassenen Häuser in Karakul, halbverfallen, teils renoviert, menschenleere Straßen, der Blick auf die Schnee bedeckten Berge, das tiefe Blau des aufgewühltem Sees, ein strahlender blauer Himmel, grell weiße Wölkchen, die Ruhe…und der eiskalte, pfeifende Wind.

 

Jetzt hieß es die Ruhe nach der Anstrengung und Aufregung geniessen.  Drei Nächte werde ich vielleicht in Karakul bleiben. Die seltsame Atmosphäre des Ortes atmen, durch die scheinbare tote Gegend streifen, bei der tadschikischen Familie wohnen, ein Hauch einer Ahnung bekommen wie hier der Alltag gestaltet wird, das Wasser zum kochen vom Brunnen geholt, der Ofen für das Bad mit Jakdung vorgeheizt wird.

 

(Stefano in der Herberge getroffen – die Franzosen sind irgendwo- die Tandem Italiener in einer anderen Absteige)

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