8.5.2019
Belgrad
Ich sitze im Hostel, habe mich neben dem Empfang, neben der Küche, neben einen Fernseher, zu einem anderen Reisenden gesetzt.
Ich möchte noch ein paar Zeilen schreiben.
Eine Unterhaltung ist schwierig, er übersetzt mir ein paar aktuelle Nachrichten, 20 Tonnen Kokain gefunden, Braunbären nehmen überhand, überfallen Dörfer, Bienenstöcke Stallungen.
Die Informationen nehme ich auf, auch dass er den serbischen Präsidenten nicht mag, wie mir schon mehrere bestätigten, ist er wohl nicht beliebt. Aber darum geht es nicht.
Es ist 19 Uhr, morgen will ich weiter, in meinem Zimmer sind zwei baufällige, saubere Betten, aber kein Tisch und kein Stuhl.
Ruhetag in Belgrad.
Was macht die Stadt aus, Serbien?
Zuerst einmal die Menschen auf die traf, die ich sah, mich sahen, meinen Weg kreuzten, in Parks, auf der Straße in Geschäften waren allesamt sehr freundlich. Auch zurückhaltend, keine Motzereien in der Schlange vor vollen Supermarktkassen, keine Rempeleien, Vorfahrt wird gewährt, freundlich gewunken, sich bedankt, höflich gewartet.
Gestern rollte ich von Novi Sad nach Belgrad, war mit meiner Leistung zufrieden, war zufrieden mit Knie und Kondition, teilte meine Kraft am Berg gut ein, und genoss den Rückenwind, der mich schob, beschleunigte.
Es war verzückend mit welcher Leichtigkeit man dann, wenn dann mal alles stimmt, mit über 30 Stundenkilometer, durch das ländliche Serbien geschickt wird.
Aber der Rückenwind ist kann auch ein Biest sein, flapsig, der Gefahr nicht Bewusst, stülpte er mir den Poncho, es war mein Wind Kälteschutz, von hinten nach vorne über. Am Kopf und Helm befestigt lässt er sich nicht mit einer Hand abstreifen, öffnen, die Sicht befreien.
Es half nur sofortiges Bremsen, absteigen und durchatmen.
In Belgrad fand ich dieses nette Hostel direkt in der Altstadt, nahm meine begehrte heiße Dusche, dankend, selig, packte meine sechs Taschen aus, sortierte um, legte meine Speicherkarten zur Datensicherung raus, zog mich für einen kleinen Spaziergang an, der mich allerdings nach wenigen Minuten schon in ein Restaurant, mit Musik, einem serbisches Sextett, Bier, Wein, zu kleinem Salat aber leckeren Cevapcici führte.
Ich hatte ja am kommenden Tag frei.
Den freien Tag heute verbrachte ich nur spazierend. Etwas über die modernen Einkaufstraße, entlang unzähliger Kaffees, zur alten Festung, durch ein paar Parks und wieder zurück zum Ausgangspunkt.
Das Nationalmuseum, ich stand schwankend davor, lies ich dann Anbetracht des wirklich schönem Wetter, aus. Irgendwie auch schade.
Wichtig wäre, das ich mich meinem GPS einmal beschäftige. Wieder beschäftige. Ich habe es schon auf den Reisen 2011 und 14 auf dem Motorrad genutzt, es war mir sehr hilfreich, stand mir immer gut zu Diensten.
Jetzt müsste ich aktuelle neue Karten finden, laden und mich mit der Handhabung wieder neu vertraut machen.
Es gibt auch ein paar Briefe, die ich noch nicht beantwortet habe, Fragen an ein paar Leute, die mir einwenig auf den Nägeln brennen, die noch nicht gestellt sind. Es gehört zur Reisebewältigung, es sind Fragen und Antworten die durch meine Reise, durch mein Abstand nehmen zu meinem Alltag, dem weniger Erreichbarsein, dazu gehören.
Dazu gehört auch ein Kommentar zu einem Tagebucheintrag, den ich bekam, den ich noch nicht freigegeben habe, den ich auch noch nicht beantwortet habe.
Er war etwas aus dem Kontext gerissen, passte auf den ersten Blick gar nicht unter den Tag, er war anonym, er war persönlich.
Es stellt mich vor eine Aufgabe. Eine klare Frage wäre mir lieber gewesen. Aber gut.
Ich möchte mit der Beantwortung des „anonymen“ Kommentars so beginnen, dass ich Dich lieber Schreiber, bitten möchte, mehr von mir zu lesen.
Ich werde viele, wahrscheinlich alle Punkte, beantworten.
Ich werde die Antworten, ich hoffe, dass es Dir Recht ist, in den nächsten Tagebucheinträgen einfließen lassen.
Ich werde dazu Stellung nehmen warum ich reise, welche Forderungen ich an mich, an mein Umfeld, an meine Freunde, an meine Familie stelle und welche Forderungen nicht.
Die Menschen sind nicht böse, sagst Du.
Nein, sind sie zu Beginn nie.
Schau Dir Kinderaugen an.
Schau Dir an mit welchen Erwartungen, wie offen, wie interessiert, wie begierig, wie gutmütig, wie liebevoll, hoffnungsvoll, wie ehrlich und authentisch und vertrauensselig sie sind.
Aber das alles kann kaputt gemacht werden. Man nimmt ihnen das Vertrauen, die Zukunft, zerstört ihre Seelen, Ihre Bindungen, ihre Familie, aus Gier, aus Machtinteresse, aus Egoismus, aus eigenen Verletzungen, aus Rache, ungeschickt, aus Versehen aber auch bewusst. Und das ist dumm und böse.
Bilder vom Tag