2.5.2019
Baja Ungarn
2 Tage Pause in Budapest haben mir gut getan. Mehr mental.
Ich hatte mir für die Strecke, weiter in den Süden, von Budapest nach Osjiek, was vorgenommen. Früher raus, langsamer fahren, mehr genießen, mehr Pausen machen, genügend essen und trinken. Wieder ging ich einen nächsten Sprung, ein nächstes Ziel an, eine fiktive Etappe, in drei Schritten. Osjiek, in Kroatien gelegen, 280 Kilometer weiter im Süden, wollte ich versuchen in ungefähr drei Fahrtagen zu erreichen.
Ich hatte in den letzten 2 Tagen in Budapest, Schlaf nachgeholt. Meine letzte Besichtigungstour durch Pest, ein Spaziergang sollte es werden, hätte ich mir sparen können, von einem quälendem Harndrang getrieben, lies ich mich fatalerweise in einem versnobtem Touristenrestaurant, auf der dringenden Suche nach einem Abort, alternativlos, zu einer kleinen Menufolge verleiten, finanziell etwas bluten. Besser als in die Hose pissen.
Tags darauf blieb ich im Camp.
Aufbruch am Dienstag den 30.5. War ich gestärkt, stark genug?
Zwei Tage gutes Wetter waren vorausgesagt. Selten waren in der letzten Zeit Prognosen treffend.
Es war eine luftige Fahrt nach Dunaföldvar, gute 95 Kilometer, teils einsam über Dämme, Ortschaften ohne dass ich Leben gesehen habe, entlang riesiger Felder. Aus Budapest raus die bekannten Vororte, stickig, angegriffen, verbaut, verlassene Ecken, heruntergekommen, andere sich immer noch wehrend, Grenzgebiete, Grenzgebiete zwischen Wachstum, Sein, Wandel und Verfall.
Überhaupt findet man viele aufgegebene Orte. Kleine, zu kleine Häuschen, zu alt, zu abgelegen, nicht angeschlossen an das wachsende Netz, zu groß, zu unwirtschaftlich. Nicht mehr schön genug für den Nachwuchs. Zu schade. Oft waren es Kleinode, eingebettet in die Landschaft, eingefügt in die Reihen, verfielen sie, wuchsen zu, brachen ein.
Der Campingplatz in Dunaföldvar, den ich anstrebte, der einzige im weiten Umfeld, ich musste mich zu den letzten Kilometern aufrappeln, eine Wiese, ein paar Laternen, ein kleines Verwaltungsgebäude, Bäder aus den Siebzigern, Nachts ohne Licht, lebte nur noch durch das Herz, dem Lachen und der Freundlichkeit der Rezeptionistin. Ich habe es nicht bereut.
Der zweite Fahrtag stand zur Bewährung an. Baja war weitere gute 90 Kilometer entfernt. Ich musste mich noch einwenig mehr disziplinieren. Auf genügend Essen achten, auf meine Pausen.
Das Band, der Sehnenansatz am linken Knie piepste ein leises Hallo. Den Muskeln ging es gut. Ich wollte drauf achten.
Es war noch früh, es gab keinen Tisch, keinen trockenen Platz in der Nähe, so wollte ich im Ort mir meinen Proviantvorrat etwas aufstocken und mir dann ein überdachtes Plätzchen, eine behütete, windgeschützte, ruhige Bank zum frühstücken außerhalb noch suchen.
Es war der 1.Mai. Die Straßen leer, die Geschäfte alle, bis auf eine Art Tante Emma, geschlossen. Beeindruckend auf wie viel Ware ich traf, die Auswahl eines ganzen Supermarktes war in einen kleinen Raum gequetscht.
Der angesagte Sonnentag, lies noch auf sich warten und durch einen feinen Nieselregen vertreten. Nicht genug für Regensachen, unter denen man schwitzt, die Luft nicht genügend zirkuliert.
Ich radelte in den Tag. Eine Bushaltestelle diente mir als Frühstücksraum, lies mich geschützt ein paar weitere kleine Regenwolken vorbei ziehen.
Und dann rollte ich. Es lief, es ging, es ging vorwärts. Weg von Bekanntem, von vermeintlich bekannten Umgebungen, raus aus vorgestellten vermeintlich sicherer Umgebung, hinaus in die Welt, hinaus in die Fremde. Ich hatte Budapest hinter mir gelassen, jetzt das letzte Quartier abgebrochen.
Das Gefühl des Aufbruchs, morgens, bevor das Rad gepackt, bevor ich die Richtung eingeschlagen habe, begleitet mich immer ein Unwohlsein, eine Skepsis, was wird der Tag bringen, wo werde ich sein, ankommen?
Und dann rollte ich. Es rollte. Die Unsicherheit fiel zurück, das Gefühl der Sicherheit, der Hoffnung, des Interesses, der Aufmerksamkeit am Weg, auf die Reise, auf den Tag kam. Die freudige Spannung auf erreichen eines neuen Zieles, die freudige Erwartung auf ein neues Ereignis, auf neue Begegnungen.
Ich hatte auch das erste Mal wieder das Gefühl in den richtigen Schritten zu denken. Nur der Tag zählt. Ich wollte bis Baja. Nur das zählt. Ich konnte es verinnerlichen. Nichts anderes zählt. Die Distanz bis nach Vietnam ist weiterhin unbegreiflich weit, unfassbar, nicht vorstellbar. Aber Baja, das ist mein Ziel.
Und ich hatte ein Gefühl der Sicherheit, dass ich es schaffe, dass ich weiter komme, dass ich es schaffe kann.
Es war ein Sonntagsritt, ein Feiertagsfahrt, Zirpen unzähliger Grillen begleiteten den sich mechanisierten Tritt, kaum ein Blick auf die Uhr, anstrengend doch, leider ja, leider teils wieder etwas zu schnell, aber gut.
Zweimal fast 100 Kilometer. Ich gebe mir und dem Knie wieder einen freien Tag. Der Rhythmus wird kommen.
Belohnung und Stärkung in einem Hotel, Spenden nehme ich zur Unterstützung gerne an, Zimmer mit tollem Bett, einem guten Bad, ich wusch meine Radwäsche und kann meine elektronischen Geräte laden, Tagebuch schreiben, für 23,-€ die Nacht.
Das gönne ich mir.
Bilder sind von den 2 Tagen Fahrt und vom 2.5. 2019 dem heutigen Ruhetag.
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