auf die Greifswald

6.6. Odessa – Geraldine kommt nach Odessa zu Besuch
7.6. Odessa – Ein Spaziergang
8.6. Odessa – Ein Besuch in der Oper – Aida
9.6. Tschornomorsk – Fähre „Greifwald“ nach Batumi, Georgien
10.6. auf der „Greifswald“
11.6. auf der „Greifswald“ –Ankunft in Batumi

Ich habe noch viel Zeit, Geraldines Maschine aus Istanbul kommend, wird erst zum Nachmittag hin, landen.
Ich genieße unter schattenspendend Bäumen ein vorzügliches Mittagessen, herrliche frische Salate, kreativ zusammengestellte, komponierte Köstlichkeiten, fein, Limonaden alle a la Minute neu angesetzt, mit einer freiwählbaren Süße, Limonen, Ingwer, Minze. Es gibt sie variiert mit weiteren Früchten, Orange, Mango, Pfirsich, aber auch mit pürierten roten Früchten, Erdbeeren. Es gehört zu einem der besseren, teueren Restaurants, die Ausstattung ist geschmackvoll, der Service, schnell, umfangreich, höflich und hübsch.
Zu der Rechnung am gestrigen Abend reichte man mir noch eine Schale Erdbeeren, für den Rest der nicht beendeten Flasche Grauburgunder gab man mir eine eigens dazu geschaffene Tasche kostenlos mit. Für Ukrainische Verhältnisse ein teures Restaurant. Gekostet hatte mich das Mittagessen, bestehend aus 2 wunderbaren Salaten und gegrilltem Gemüse, einem Liter Limonade und einer große Kanne Fruchttee 12,- oder 14,- €.

Odessa versetzt deine Gedanken spielend ins vergangene Jahrhundert. Jugendstilbauten. Eine fantastische Architektur. Breit angelegte Chausseen, großes Blattwerk mächtiger Bäume spendet in der schwülen Hitze der freien Plätze, eine angenehme Kühle.
Ins vergangene Jahrhundert.
Ich lese eine Biografie, Gertrude Bell, Königin der Wüste, das außergewöhnliche Leben der Gertrude Bell. Nun, ja. Außergewöhnlich war ihr Schlag, ihre Kraft, ihr Wille, die Umstände, ihr Eigensinn, Tatkraft und Wissensdurst. Eigenartig zu lesen, eine Biografie, gesammeltes Wissen über diese Frau, gesammelt aus Briefen, Berichten und erfasst aus den Beschreibungen ihrer eigenen Bücher. Gertrude.

Flughafen Odessa.
Ich habe mich an einen Taxifahrer, Artem, hauptberuflich ist er Imker, gewöhnt. Ich werde weiter mit ihm fahren. Er ist etwas teurer als normal, nimmt gerne von den Touristen das doppelte, oder soviel er nun gerade bekommen kann, feilscht gerne, kullert mit seinen Augen, setzt ein verschmitz freundliches Lächeln auf, lacht und wenn er zufrieden ist klopft er dankend einem auf die Schulter.
So kostet mich die Fahrt zum Flughafen nicht 3,-€ (40 Minuten) sondern 6,-€. Er ist glücklich.
Dafür habe ich einen zuverlässigen Fahrer.
Am Sonntag den 10.Juni kommt er eigens mit einem Transporter, pünktlich, schafft so, Geraldine und das ganze Gepäck, das große Fahrrad, zu dem über 24 Kilometer entfernten Fährhafen, wartet geduldig vor der Fährbüro, bringt einen zu einem entlegenen Restaurant, übersetzt die Karte, gibt hilfreiche Tipps und bringt uns dann zu dem 2 Kilometer weiter liegenden Zoll und Grenzabfertigungsgebäude am Hafen. Wir sind glücklich.

Freitag den 7. Juni.

Wir machen nichts, alles und es ist genug.
Man kann ein halbes duzend Museen besuchen, die Katakomben, den Strand und weitere Sehenswürdigkeiten. Kann man. Man kann sich hetzen und rennen.
Man kann sich aber auch hinsetzen, etwas spazieren gehen, hier mal ein Kaffee, dort mal eine der herrlichen Limonaden schlürfen, in einem der viele Parks verweilen, die Atmosphäre spüren, aufsaugen, das craquille der Fassaden, die Blicke der Putten, das Grau der verhangenen, seit Jahrzehnten nicht mehr geöffneten, geputzten Fenster bestaunen, Wortfetzen, Bruchstücke verständlicher russischer Worte aufschnappen, Gespräche zu Kellnern, Studenten, Spaziergängern suchen und sich einfach in diese Stadt, geboren aus dem Ölboom vergangener Jahre, dem alten Glanz, einfühlen.
Mehr ging nicht an diesem Tag.

Samstag den 8.Juni 2019

Heute geht es in die Oper – Aida wird gegeben. Für mich ein seltenes, zu seltenes Spektakel.
Bis dahin arbeite ich mich noch durch ein paar ungeklärte Fragen, fehlende Antworten. Ich hatte nach Monaten den Mut gefasst, alte ungeklärte Fragen in meiner Familie, meiner Exfrau, meinem Sohn an zusprechen. Wir sind lange getrennt, seit einem viertel Jahrhundert geschieden, gehen seit Jahrzehnten andere Wege. Doch Wege kreuzen sich zu mal. Wege die man geht haben einen Anfang. Um sich auf seinen neuen Wegen zu orientieren, nicht die falsche Richtung einzuschlagen, dient ein Blick über die Schulter, ein Blick zurück, zu erkennen warum man über einen Berg, durch eine Schlucht, durch einen dunklen Wald oder über ein offenes Feld gegangen ist. Die Frage, sie lag mir auf dem Herzen, diente meinem Verständnis, zu meiner Orientierung auf meinem neuen Weg Richtung China.

Meine Reise Richtung China, sie löst mal Verwunderung aus, mal Unverständnis, mal Bewunderung aus.

Die Oper,
Ich hatte die besten und teuersten Karten gekauft. 300 Gwrina, 10,-€. Dann diesen Abend mit einem Glas Champagner und Kaviar Häppchen begonnen (jeweils 1,5-€).
Das Gebäude gewaltig, große geschwungene Treppen, Naturstein, Stuck, Fresken, vergoldete Lüster, im Saal dominiert das Rot des Samt, bespannt auf Stühlen, Decken, und Wänden
, das Gold auf den abgesetzten Schnitzereien, den Verzierungen auf dem elfenbeinfarbigen Grund, ein Erlebnis, eine Augenweide, ein Schmaus für viele Sinne. Ein brachialer, traumhafter Klang drang aus dem Graben, stimmgewaltig der Tenor, den Bass hätte ich mit Verdis Zustimmung lieber höher angesetzt, den Tänzern, Balleteinlagen an Szenen eines Stummfilms erinnert, eine ungewöhnliche Choreografie, versüßten den Abend
3,5 Stunden, 4 Akte ungewohnt.

Sonntag der 9.6. war mit Abreise, Abreiseformalitäten, lange Wartezeiten, aufwendigen Abfertigungen bestimmt.
Abfahrt aus Odessa gegen 12:30, Abfertigung Fährbetreiber 14:00, Zoll 18:00 betreten der „Greifswald“ gegen 18:30.

Abendessen mit hundert LKW Fahrer 20:00

Was freute ich mich auf diese Schiffsfahrt. Das strahlendweise Fährschiff, gefüllt mit unzähligen LKWs, ein paar wenigen Motorradfahren, Eisenbahnwagons, einem duzend zusätzlichen Passagieren und 2 Fahrradfahren, die Greifwald, kreuzt zweimal die Woche unter einer panama Flagge, über das Schwarze Meer.

Drei Mahlzeiten werden an Board geboten. Ausreichend, durchaus lecker, abwechslungsreich, über eine Lautsprecherstimme angekündigt, ermahnt pünktlich zu sein, zu festen Stunden, Minuten gereicht. Die Kabine, sauber, das Bett lang genug, eine kleine ausrechende Nasszelle schliesst neben einem eigenen Tisch und zwei Stühlen den Komfort für den Raum ab.

Die LkW Fahrer bestimmen das Bild.
Den Wagen abgestellt, die Kabine bezogen, eröffnen sie seit dem ein sich nicht zu unterbrechendes, nicht enden wollendes Besäufnis. Ich sehe niemanden der nüchtern ist, der nicht trinkt. Der nicht auf dem Aussendeck raucht, lacht, sich unterhält und die nächsten Biere holt, den nächsten Wodka reicht.
Das erste Bier sehe ich um 8:00 zum Frühstück, die ersten total desolaten werden unter Begleitung zum Mittagstisch eskortiert, gestützt und abgeführt. Bis zum Abendessen Literweise Schnaps konsumiert.
Es ist Montag der 10. Juni, gleich ist es 18:00 das Abendessen wird eingedeckt. Morgen Abend ab 21:00 müssen die Kämpfer, einsamen Fahrer zurück auf die Straße. Ich frage mich ab wann sie das systematische Abfüllen beenden. Nüchtern wird man in 24 Stunden bei 3 Promille nicht mehr.

Zwei Tage und ein paar Stunden werde ich an Board sein. Die See, bisher, ist glatt, ruhig, klar, türkisblau. Ein russischer Dreimaster zieht leise, in weiter Entfernung, an meinem Fenster, ein großes, Messing umrahmtes, mit vier schweren Drehverschlüssen geschlossenes Auge vorbei. Kleine Delphine kreuzen, durchziehen mit ihrer Finne das Wasser, spielerisch, seicht, lockern sie das Bild auf die Weite des Meers auf.

Zeit den Wind zu spüren, aufs Deck zu gehen, in die Ferne zu schauen.

Ex oriente lux

Morgen komme ich in Batumi an.

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