Author Archives: derspurensucher

6. September 2019 Pamir

Freitag 6. September 2019 22/29 Pamir
Murghab Pamir Hotel

Shawn ist regeneriert, Stewart hat es jetzt erwischt, vielleicht war es das Jakfleisch vom gestrigen Tag, sein Abendessen, sie starteten trotzdem auf ihren Weg Richtung Osh. Dachte mir, hoffentlich geht das gut?!

Ingo aus Köln wollte auch weiter, seine Zeit ist etwas knapper, sein Ziel Dushanbe, er  stemmte sich Richtung Alikhur, Richtung Chorug, ihn wird der Wind treffen.

Hier im Hotel ist Ruhe eingekehrt.

Viele bleiben immer nur eine Nacht, reisen am nächsten Tag frühzeitig weiter. Jetzt gegen Nachmittag ist kaum jemand da. Die ersten, nächsten kommen aber bestimmt.
Bedächtig, nachdenklich schaue ich aus dem Fenster, sehe vor mir die M 41, sehe die beladenen LKWs, aus China kommend, da will ich als nächstes hin, durch den Ort brettern, sehe einzelne Passanten, den Kopf tief geneigt, dem Wind ausgesetzt, sich auf kürzesten Weg ihrem Ziel zu wenden. Es ist ungemütlich draussen, es ist nicht kalt, die Sonne scheint, kaum ein Wölkchen am Himmel doch der Wind, unangenehm, vertreibt die Menschen von der Straße.

Ein kurzes Telefonat hatte ich mit den Organisatoren eines, des, Motorrad Reise Treffens. Morgen soll ich ein Grußwort an Reisewillige richten.

Mein Gedanken kreisen um das Reisen. Wie die unterschiedlichsten Länder auf einen, auf mich wirken, wirkten. Wie die Zeit vergeht, wie die lange Zeit auf mich wirkt. Wie wichtig es ist die Zeit richtig zu nutzen. Richtig, weil auch zum richtigen Zeitpunkt die richtigen, für einen wichtigen, richtigen Entscheidungen zu treffen, zu revidieren, zu überdenken, neu entscheiden. Die Zeit vergeht und mit ihr fliesst die Zeit, die Geschehnisse überall weiter. Auch zu Hause gibt es Veränderungen. Veränderungen die auch meinen Rückhalt, meine Gedanken, beeinflussen.

Die drei „Italiener“ sind eingetroffen. Wieder kreuzen sich unsere Wege. In Samarkand, Kalaei Chumb und Chorug hatte ich sie schon getroffen. Sie hatten den Weg durch das Wakhan Tal genommen.

Mit einem Tandem von Rome nach Bejing. I to Eye. Einer blind, einer führt.

5. September 2019 Pamir

Donnerstag 5. September 2019 21/29 Pamir
Murghab Pamir Hotel

Murghab muss man mal gesehen haben, Knotenpunkt des Pamir.

Die Ausstrahlung ist seltsam. Es ist nicht schön. Sie lädt nicht zum verweilen ein.

Doch das Örtchen ist wichtig. Ca. 300 Kilometer bis nach Sary Tash, der erste Ort in Kirgistan, und ca. 300 Kilometer bis nach Chorug, in mitten liegt  Murghab auf der M 41, findet man hier ein Hospital, Werkstätten, einem Basar, einem Markt in duzenden Container eingerichtet, etwas , leider sehr langsames Internet und ein paar Absteigen.

Ich begnügte mich mit kurzen Spaziergängen, pausierte, schone mich, nahm ein paar kurze Erkundungsgängen vor, schaute mir eine Lenin Statur an, den Markt, eine Metzgerei, drei Jaks wurden gerade zerlegt, betrachtete die flachen umliegenden Wohnbauten und photographierte viel.

Einem wollte ich mich nicht aussetzen. Dem Wind. Unerbittlich beginnt er gegen Mittags, stetig aus einer Richtung, bläst kalt, hart, treibt Sand und Staub vor sich her. Vorher war ich zurück im Hotel zurück.

Ich werde ihn auf meiner Weiterfahrt im Rücken haben. Richtung Chorug ist er neben der schlechten Straße, der Höhe, den Pässen ein zusätzlicher unerbittlicher Gegner.

4. September 2019 Pamir

Mittwoch der 4. September 2019 20/29 Pamir
Alikhur Shokhrona homestay • Murghab  Pamir Hotel

„Wieder“ einen LKW genommen.

Der erste LKW der auf der Straße Richtung Murghab, auf der M41, die alte russische Verbindungsstraße über den Pamir kam, hielt an und wurde von meiner Gastwirtin zur meiner Mitnahme aufgefordert.

Ich hätte besser auf einen anderen Fahrer gewartet. Dieser fuhr ohne Rücksicht auf LKW, Gepäck, seiner selbst und Beifahrer. Zu jung, zu draufgängerisch, zu überheblich, ich weiss es nicht. Das Gepäck wurde neben dem Rad unsanft hinten in den Container geworfen, das hätte ich vermeiden müssen, der LKW gestartet und über die Piste gejagt.

Dreck und Staub rüttelten sich durch die geschlossenen Taschen, Schrauben lösten sich, alles litt unter diesem Ritt.

Müde und gerädert, der Rücken weh, aus dem Sitz mehrfach geworfen worden, gute Mine zu dem schlechten Spiel gemacht, inständigste gehofft dass das Rad durch die 3 an einer Seite befestigten, gebundenen Taschen, schadlos in Murghab ankommt.

Vor dem Pamir Hotel entließ er mich. Taschen und Rad wurden aus dem Container gehievt, herausgeflogene Teile, Schloss, Seifen und Sonnenschutzcremes eingesammelt dazu gereicht, auf dem Boden hinter dem LKW auf der Straße abgelegt. Ich war über den Zustand, dem Äußeren betrübt. Das hätte so nicht sein brauchen, dürfen.

Shawn und Stewart kamen mir entgegen und halfen mir das Gerödel vor den Eingang des „Pamir“ zu schaffen.

3. September 2019 Pamir

3. September 2019 19/29 Pamir
Alikhur Shokhrona homestay • 3880 über Meer • dritte Nacht

Ich habe keine Lust mehr über meinen Infekt zu schreiben. Mir stört diese Krankengeschichte.

Und doch zwang sie mich nicht nur zu Ruhe, zur Einkehr, bot mir Zeit zum schreiben und vor allem die Gelegenheit ein bisschen mehr in diesen Ort, einem tadschikischen, auf dem Pamir einzutauchen, etwas von den Lebensumständen, dem Aufwand, dem Leben zu erfahren.

Die beiden Steward und Shawn sind heute morgen gestartet, weitergefahren, haben sich noch verabschiedet. Bin gespannt ob ich sie in Murghab, morgen möchte ich weiter, wiedersehen werde.

2. September 2019 Pamir

2. September 2019 18/29 Pamir
Alikhur Shokhrona homestay • 3880 über Meer • zweite Nacht
3880 über Meer.
0 km

Na gesund ist anders. Ich fühle mich schlapp, gerädert.
Also langsam treten, Tee trinken.

Ich stattete den beiden Shawn und Steward einen Besuch ab. Shawn liegt flach. Gehe mit Steward auf einen Spaziergang durch den Ort.

Ich wollte heute etwas über das Leben der Tadschiken schreiben. Pamiries, Usbeken, Kirgisen, Tadschiken die hier in dem Land leben.

Etwas über ihr Leben, ihre Einstellungen, die Arbeit, die Umstände, das Patriarchat, das Selbstverständnis im Umgang. Die Kinder die mitarbeiten, eingesetzt werden, Wasser holen, schleppen, Tiere hüten, Gras mähen, Mädchen die im Haushalt mit kochen, putzen, waschen, Betten bauen.

Es gibt für den ersten Einsatz keine Altersbeschränkung, nur ein Selbstverständnis.

Die Landschaft hier oben, nun auf 3800 bis 4200, das Dach der Welt, karg, entbehrungsreich, einfach, schwierig. Es gibt ein paar Tiere, Kühe, Schafe, Ziegen. Das Land ist kahl gefressen, überweidet.

Eine Wasserversorgung besteht. Es gibt ein paar Brunnen, ein paar Bäche, Rinnsaale.

Es gibt ein paar Schulen, die Kinder gehen adrett in Schuluniform, blaue, Mädchen mit Zöpfen und Spangen, weißen Püscheln, Blusen, Jungs in Anzügen und Krawatten, die Landesfahne aufgestickt. Es gibt ein Schulprogramm, Essen für Unterricht.

Wir fahren, radeln, gehen hier über das Land, staunen, erfreuen uns an der Landschaft, den pittoresken Dörfern, den alten Autos, wunderschöne Photomotive, Bergpanoramen, ziehen vorbei, fahren weiter, suchen das nächste Funknetz, Internet, warme Dusche und sind stolz da durchgefahren zu sein.

Das war hart sagen wir. Das war hart. Das war die härteste Tour, Etappe, Tag sagen die Reisenden, sitzen in Hostels zusammen, gut behütet und versorgt, trinken Bier, stossen an, gucken auf ihr Telefon, stellen Vergleiche zu anderen Reiseziele, empfehlen andere Hostels, da gibt es gutes Wifi, kaltes Bier, warme Duschen.

Gestern zog ich mir zum zu Bett gehen meine Socken aus, sah, die Füße schwarz von Staub und Dreck bedeckt. Die Wäsche, denke ich, ist noch gut, die hält noch ein paar Tage.
Die Familie die mich aufgenommen hat, versorgt, umsorgt hat kein Badezimmer, es gibt kein fließendes Wasser, kein Strom. Die Nachbarn haben das auch nicht.
Alikhur, kein kleiner Ort, knapp 300 Familien, ein Teil Tadschiken, ein Teil Kirgisen, hat kein Strom und hat kein fließendes Wasser.
Man fragte mich was willst du in einem Ort wie Alikhur oder in Karakul? Da ist nichts.
Ja, da ist nichts. Und doch. Da sind die Pamiries, Usbeken, Kirgisen, Tadschiken, da leben sie, so leben sie. Da ist der tadschikische Alltag
Atmosphäre atmen, eintauchen, kennenlernen, zulassen, erfahren.
Bleiben, länger bleiben. Kennenlernen. Wissen. Verstehen. Einfühlen.

In manch einem Hostel mit Bier, Musik, Wifi, Internet mitten im Land, ist man so weit weg von dem Land, das man bereist, wie es nur in einer Kunstwelt geht. Man sieht Reisegruppen die Tausende Kilometer angereist sind um über das Dach der Welt zu fahren, hetzten von einer ein bisschen besseren Pension zur nächsten. Erste Frage gibt es Internet.

Doch die Welt, die Realität ist vor der Türe, ist auf der Straße, ist in den Häusern.

Ich bleibe gerne ein paar Tage mal in einem homestay wie das Shokhrona.
Sehe wie die Kühe abends frei zum Stall kommen, gemolken werden, die Butter geschlagen wird, die Sahnecreme abgeschöpft, der Ofen, der Herd mit getrocknetem Kuhmist geheizt, stolpere nachts durch die Küche, über die drei schlafenden Schaffenden zum Klo und suche im Dunkeln das Loch.
Tadschikistan kennenlernen oder durch fliegen.