Von Schuro Obod nach Jag

19. Aug. 2019  4/29 Pamir

Von Schuro Obod nach Jag

97,44 km 5:52 Std. 16,61 Schnitt  1111 hm

 

Ein genussvoller Fahrttag. Fast 100 Kilometer, ein spannendes Auf und Ab. Nach einer langen schnellen Abfahrt, weit über 1200 Höhenmeter herunter in das Tal des Pansch, ergaben sich immer wieder neue faszinierende Blicke auf eine phantastische Bergwelt, auf kleine Bergdörfer. Sie wirkten in meinen Augen malerisch, pittoresk, doch selbst romantisch verklärt kommt man nicht umhin zu sehen wie archaisch, es trotz der seit drei Jahren verbreiterten Weges, wie einfach und wie beschwerlich das Leben auf der afghanischen Seite noch sein dürfte.

Insgesamt war ich über 10 Stunden unterwegs. (7:50 – 18:00 Uhr)

Bei der Nachmittagspause bekam ich eine Nachricht von einem Freund. War es Eingebung, dass ich mein Telfon anschaltete? Zufall dass ich im richtigen Moment keine Kosten gescheut habe und eine Nachricht ahnte. Nur eine selektive Wahrnehmung, emotional überbewertet?

Sie kam von einem langen Wegbegleiter, eine Seelenverbindung, einem, meinem Lehrmeister, mein väterlicher Freund.

 

Inmitten der angestrebten „Einsamkeit“, (wollte ich das so? will ich das wirklich?)

Mal wieder so weit von zu Hause entfernt, dann den Herzen, den Lieben emotional so nah, so schmerzlich plötzlich das Gefühl zu haben, so hilflos auf den Wandel zu Hause blicken zu müssen.

 

Wie will ich einen solchen Tag im Nachhinein beschreiben? Wie ich startete, wie ich auf die lange Abfahrt, heutzutage alles neugebaut, breit, zu fuhr, erwartungsvoll, neugierig, mit offenem Herzen, freudiger Erwartungen, wie werde ich den Blick auf dieses sagenhafte Tal erfahren, wie würde ich mich fühlen?

Erinnerungen an meine erste Berührung mit dem Pansch, mit der beeindruckenden Bergwelt, den schroffen Felsen, den Furcht einflössenden gewaltigen, unberechenbaren Steinmassen, Erosionen, Geröllhalten, Steinschlag, Abgänge ganzer Hänge, von brachialen Brocken zerschlagene Straßen, Betonmauern, Leitplanken zerrissen, werden wach. Die Straße ist auf diesen ersten 100 Kilometer enorm verbessert worden. Es tut dem Land gut. Die Infrastruktur wächst, es gibt ein paar mehr Geschäfte, es kommt der Ökonomie zu gute, dem Transport von Lebensmitteln und Gütern, die kleinen Ortschaften wachsen. Auf der tadschikischen Seite und nun seit knapp 3 Jahren erfahren die Menschen auf der afghanischen Seite, mit der Verbreiterung des schmalen, ehemals extrem gefährlichen Trampel- und Gebirgspfades, etwas mehr Wohlstand und Komfort.

 

Das ungestüme Wasser mit welcher Kraft es abwärts fließt, alles aufwühlt, mit reißt, die Landschaft prägt, sich ins Tal tiefer und tiefer frisst,  ohne Pause, es fliesst, es ist heute und jetzt, es schenkt Leben, nimmt Leben, gibt dem Land Leben, es ist da.

Daneben fühlt man sich unbedeutend.

 

Ich wollte in mitten dieser Landschaft, am Nachmittag meinen Tee trinken, eine warme Suppe zur Stärkung, und in einem kleinen Film meine Gefühle einfangen, die Bilder die ich sah, die Gedanken an die ich hing, festhalten.

Ich öffnete die Nachrichten App und las, dass mein Freund sich entschlossen hatte keine weiteren chemischen Behandlungen, schmerzvolle, über sich ergehen zu lassen, dass er hofft, sich wünscht, dass er bis zu meiner Rückkehr versucht, durchzuhalten, aber nicht weiß ob er es noch schafft.

 

Wie will ich diesen Tag beschreiben? Im Herzen zerrissen, geehrt für seine offenen, aufrichtigen Gefühle, geehrt für sein Vertrauen, seinem zu mir Hingezogen sein. So ehrlich, so hilflos und so stark.

Ich bin so weit weg und doch dann den Herzen so nah.

 

Alt werden ist nichts für Feiglinge.

 

Meine Nachricht die ich, für die Allgemeinheit, für euch, für meine Freunde, aufnehmen wollte, lief aus dem Ruder, ich sprach aus was ich nur ihm sagen wollte, werde.

Haltgeben, Hand geben.

 

Mit den Gedanken wer man ist, was man will, rollte ich, noch ein duzend Kilometer, weiter, ich war im Geiste nicht auf der Straße.

Die körperliche Auseinandersetzung, die Strapazen, die Berge, die Hügel und Rampen rauf nahm ich wie ich es eben konnte, aber es war ein anderer Kampf als die Tage, Wochen vorher, es ging an mir vorbei. Der Körper quälte sich die Höhen rauf, der Geist war mit anderweitig beschäftig.

In Zigar, einer kleinen Ortschaft, pausierte ich, setze mich zu ein paar Alten, die Verständigung lief über Augenkontakt, Handzeichen, Fingerzeige auf Herz, aufs Rad, auf den ausströmenden Atem, Sätze wurden gesprochen und nur am Klang, an der Färbung eingeordnet.

Ich trank ein kalte Limonade, saß da und lies Zeit verrinnen. Nein ich lies die Zeit zu. Das Bewusste erfahren. Das Sein.

Aus diesem Sein, aus diesem Moment, aus diesem Ausstrahlen und Empfinden heraus, kam ein Tadschike auf mich zu, und bot mir sein Haus zu Übernachtung an. Komm und sei mein Gast.

Asim.

Ich musste noch weitere 20 Kilometer fahren um nach Jag, zu Asims Haus zu gelangen.

Ich wurde warm und herzlich von der ganzen Familie, den Eltern, einem Bruder, der Schwägerin, der ganzen Familie, 5 Kindern aufgenommen, umsorgt.

Es hat mir gut getan in einer Familie, in Gesellschaft das Abendbrot zu nehmen, den Tag ausklingen zu lassen, gut behütet zu übernachten.

 

 

Ich habe meinem Freund geantwortet: dass ich ihn verstehe, dass ich ihn unterstütze, dass ich ihm die Hand reichen will und dass ich für da sein werde, wenn er nach mir verlangt.

 

 

 

 

 

Leave A Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.