Author Archives: derspurensucher

die Melodie Batumi

12.6.

Batumi hat viele Melodien,

teils ein betagter alter Badeort, teils Domizil gut Situierter, teils kurzzeitiges Urlaubsziel neureicher Anrainer.
Es lebt die Altstadt vom alten Glanz, vergangenem Glamour, Blüten herrschaftlicher Zeiten
es pulsiert das Leben einer neuen Generation,
es regiert die Lust auf Wein, kurzweiliger schneller Entspannung, zwischen steiniger Küste, Weinbars, und einer unzahl thailändischer Massagesaloon.

Ich habe die Vorstadt, die Außenbezirke noch nicht gesehen.
Aber das Leben, der Tourismus konzentriert sich auf die Altstadt und einem Kilometer langen Meerespromenade.

Es ist warm, schwül warm, die Wäsche trocknet nicht mehr so schnell, ein laue Brise geht über diesen Ort. Mittags steigen die Temperaturen…man sehnt sich auf den frühen Abend, eine leichte Abkühlung, auf ein kaltes Bier…einem leckeren georgischen Wein.

Tags hört man Chanson, es klingt nach italienischen Liebesliedern, französische anmutende verträumte Klänge.
Die Nacht bricht ein. Die Straßen werden von mehr und mehr Autos belebt, sie fahren leise, viele Elektrofahrzeuge, es wird kaum gedrängelt, es ist eng, man arrangiert sich.
Ich habe das Gefühl in den Straßen klingt das Leben nach einem melancholischen Liebeslied, verlassene, befriedigte, Zigaretten rauchende Einsame und glückliche Paare sitzen an den Bars, im gelblichen Licht, trinken Wein, träumen von gestrigen, hoffen und leben auf das Morgen, lachen, reden und lassen entspannt die Zeit verrinnen.

Ich spüre Belmondo, le Professionnel, der Profi…erinnere mich der Klänge, der tiefgehenden Stimmung die Morricones brillant mit seinen Werk vermitteln konnte. Sie untermalen mein Auge, erreichen mein Herz, bilden den Rahmen der Empfindungen für den Abend.

Das Abendessen wirkte auf der Karte abgebildet, frischer, saftiger. Doch wirken die Grundzutaten hier alle natürlicher.
Ich kann mich an die meist immer nur milde gewürzten Speisen nur wenig gewöhnen. Nur zu langsam. Unser Gaumen, in der Heimat, belastet von Geschmacksverstärkern, über und versalzen, nach gesüßt, die schlechten Speisen industriell gefertigter Nahrungsmittel, Ergänzungsmittel, kaum verdaulicher fetter, kalorienreicher Fabrikprodukten haben unsern Geschmack, die Rezeptoren versaut, abgetötet geschwächt.
Schon seit dem Balkan ist mir aufgefallen, dass hier Speisen weniger gesalzen, weniger nach gesüßt sind als in unserem so fortschrittlichen Westen.
Tomaten dürfen sich hier Tomaten nennen.

Der Ort ist gestopft voll mit Hotels, Pensionen, Guesthouses, billige bis extravagante Absteigen.

Georgien steht nun an.
Eine neue Simkarte ist besorgt, die erste Orientierung zu Orten, Distanzen zu gefasst. Wäsche wird gewaschen. Ich war beim Barbier, wurde rasiert, frisiert, mit Heißwachs Haare aus Ohren und Wangen gerissen, der Zopf gekürzt, die Kotletten gestutzt, der Schnäuzer entfernt, mit Paste die Falten gestrafft, mit Cremes die Haut gepflegt, mit Rosenwasser die Haut massiert.
Jetzt muss ich langsam noch mein Rad richten. Die Kette pflegen, reinigen, spannen und neu fetten. Arbeiten die alle 500 bis 1000 Kilometer notwendig werden. Hier alle drei Wochen, zu Hause einmal im Jahr.

Morgen soll es weiter gehen. Etwas unruhig, gespannt bin ich auf meine nächste Tagesetappe, der Küste entlang, Richtung Poti. 400 Kilometer, etwas mehr oder weniger sind es bis Tiflis, es kribbelt, etwas unsicher bin ich, mache mir Gedanken zu den nächsten anstehenden Visa Angelegenheiten, hätte gerne weniger Gepäck, kann mich bis auf ein paar Kleinigkeiten von nichts trennen. Selbst Kleinigkeiten mit nur einem geringen Gewicht stehen zur Disposition, werden in die Wagschale geworfen. Eine Baseballkappe, ein extrem kleines Stativ, eine kleine zur Zeit Leere Dose, ein zweiter Akkupack….eine Regenjacke, denn ich hätte ja auch noch einen Poncho, nicht so schick, aber leichter.

Viele Gedanken zu der nächsten Stufe, rein nach Vorderasien. Es wird warm werden, es wird heiß werden. Und es wird in die Berge gehen.

Aber gleich erstmal die Kette spannen.

auf die Greifswald

6.6. Odessa – Geraldine kommt nach Odessa zu Besuch
7.6. Odessa – Ein Spaziergang
8.6. Odessa – Ein Besuch in der Oper – Aida
9.6. Tschornomorsk – Fähre „Greifwald“ nach Batumi, Georgien
10.6. auf der „Greifswald“
11.6. auf der „Greifswald“ –Ankunft in Batumi

Ich habe noch viel Zeit, Geraldines Maschine aus Istanbul kommend, wird erst zum Nachmittag hin, landen.
Ich genieße unter schattenspendend Bäumen ein vorzügliches Mittagessen, herrliche frische Salate, kreativ zusammengestellte, komponierte Köstlichkeiten, fein, Limonaden alle a la Minute neu angesetzt, mit einer freiwählbaren Süße, Limonen, Ingwer, Minze. Es gibt sie variiert mit weiteren Früchten, Orange, Mango, Pfirsich, aber auch mit pürierten roten Früchten, Erdbeeren. Es gehört zu einem der besseren, teueren Restaurants, die Ausstattung ist geschmackvoll, der Service, schnell, umfangreich, höflich und hübsch.
Zu der Rechnung am gestrigen Abend reichte man mir noch eine Schale Erdbeeren, für den Rest der nicht beendeten Flasche Grauburgunder gab man mir eine eigens dazu geschaffene Tasche kostenlos mit. Für Ukrainische Verhältnisse ein teures Restaurant. Gekostet hatte mich das Mittagessen, bestehend aus 2 wunderbaren Salaten und gegrilltem Gemüse, einem Liter Limonade und einer große Kanne Fruchttee 12,- oder 14,- €.

Odessa versetzt deine Gedanken spielend ins vergangene Jahrhundert. Jugendstilbauten. Eine fantastische Architektur. Breit angelegte Chausseen, großes Blattwerk mächtiger Bäume spendet in der schwülen Hitze der freien Plätze, eine angenehme Kühle.
Ins vergangene Jahrhundert.
Ich lese eine Biografie, Gertrude Bell, Königin der Wüste, das außergewöhnliche Leben der Gertrude Bell. Nun, ja. Außergewöhnlich war ihr Schlag, ihre Kraft, ihr Wille, die Umstände, ihr Eigensinn, Tatkraft und Wissensdurst. Eigenartig zu lesen, eine Biografie, gesammeltes Wissen über diese Frau, gesammelt aus Briefen, Berichten und erfasst aus den Beschreibungen ihrer eigenen Bücher. Gertrude.

Flughafen Odessa.
Ich habe mich an einen Taxifahrer, Artem, hauptberuflich ist er Imker, gewöhnt. Ich werde weiter mit ihm fahren. Er ist etwas teurer als normal, nimmt gerne von den Touristen das doppelte, oder soviel er nun gerade bekommen kann, feilscht gerne, kullert mit seinen Augen, setzt ein verschmitz freundliches Lächeln auf, lacht und wenn er zufrieden ist klopft er dankend einem auf die Schulter.
So kostet mich die Fahrt zum Flughafen nicht 3,-€ (40 Minuten) sondern 6,-€. Er ist glücklich.
Dafür habe ich einen zuverlässigen Fahrer.
Am Sonntag den 10.Juni kommt er eigens mit einem Transporter, pünktlich, schafft so, Geraldine und das ganze Gepäck, das große Fahrrad, zu dem über 24 Kilometer entfernten Fährhafen, wartet geduldig vor der Fährbüro, bringt einen zu einem entlegenen Restaurant, übersetzt die Karte, gibt hilfreiche Tipps und bringt uns dann zu dem 2 Kilometer weiter liegenden Zoll und Grenzabfertigungsgebäude am Hafen. Wir sind glücklich.

Freitag den 7. Juni.

Wir machen nichts, alles und es ist genug.
Man kann ein halbes duzend Museen besuchen, die Katakomben, den Strand und weitere Sehenswürdigkeiten. Kann man. Man kann sich hetzen und rennen.
Man kann sich aber auch hinsetzen, etwas spazieren gehen, hier mal ein Kaffee, dort mal eine der herrlichen Limonaden schlürfen, in einem der viele Parks verweilen, die Atmosphäre spüren, aufsaugen, das craquille der Fassaden, die Blicke der Putten, das Grau der verhangenen, seit Jahrzehnten nicht mehr geöffneten, geputzten Fenster bestaunen, Wortfetzen, Bruchstücke verständlicher russischer Worte aufschnappen, Gespräche zu Kellnern, Studenten, Spaziergängern suchen und sich einfach in diese Stadt, geboren aus dem Ölboom vergangener Jahre, dem alten Glanz, einfühlen.
Mehr ging nicht an diesem Tag.

Samstag den 8.Juni 2019

Heute geht es in die Oper – Aida wird gegeben. Für mich ein seltenes, zu seltenes Spektakel.
Bis dahin arbeite ich mich noch durch ein paar ungeklärte Fragen, fehlende Antworten. Ich hatte nach Monaten den Mut gefasst, alte ungeklärte Fragen in meiner Familie, meiner Exfrau, meinem Sohn an zusprechen. Wir sind lange getrennt, seit einem viertel Jahrhundert geschieden, gehen seit Jahrzehnten andere Wege. Doch Wege kreuzen sich zu mal. Wege die man geht haben einen Anfang. Um sich auf seinen neuen Wegen zu orientieren, nicht die falsche Richtung einzuschlagen, dient ein Blick über die Schulter, ein Blick zurück, zu erkennen warum man über einen Berg, durch eine Schlucht, durch einen dunklen Wald oder über ein offenes Feld gegangen ist. Die Frage, sie lag mir auf dem Herzen, diente meinem Verständnis, zu meiner Orientierung auf meinem neuen Weg Richtung China.

Meine Reise Richtung China, sie löst mal Verwunderung aus, mal Unverständnis, mal Bewunderung aus.

Die Oper,
Ich hatte die besten und teuersten Karten gekauft. 300 Gwrina, 10,-€. Dann diesen Abend mit einem Glas Champagner und Kaviar Häppchen begonnen (jeweils 1,5-€).
Das Gebäude gewaltig, große geschwungene Treppen, Naturstein, Stuck, Fresken, vergoldete Lüster, im Saal dominiert das Rot des Samt, bespannt auf Stühlen, Decken, und Wänden
, das Gold auf den abgesetzten Schnitzereien, den Verzierungen auf dem elfenbeinfarbigen Grund, ein Erlebnis, eine Augenweide, ein Schmaus für viele Sinne. Ein brachialer, traumhafter Klang drang aus dem Graben, stimmgewaltig der Tenor, den Bass hätte ich mit Verdis Zustimmung lieber höher angesetzt, den Tänzern, Balleteinlagen an Szenen eines Stummfilms erinnert, eine ungewöhnliche Choreografie, versüßten den Abend
3,5 Stunden, 4 Akte ungewohnt.

Sonntag der 9.6. war mit Abreise, Abreiseformalitäten, lange Wartezeiten, aufwendigen Abfertigungen bestimmt.
Abfahrt aus Odessa gegen 12:30, Abfertigung Fährbetreiber 14:00, Zoll 18:00 betreten der „Greifswald“ gegen 18:30.

Abendessen mit hundert LKW Fahrer 20:00

Was freute ich mich auf diese Schiffsfahrt. Das strahlendweise Fährschiff, gefüllt mit unzähligen LKWs, ein paar wenigen Motorradfahren, Eisenbahnwagons, einem duzend zusätzlichen Passagieren und 2 Fahrradfahren, die Greifwald, kreuzt zweimal die Woche unter einer panama Flagge, über das Schwarze Meer.

Drei Mahlzeiten werden an Board geboten. Ausreichend, durchaus lecker, abwechslungsreich, über eine Lautsprecherstimme angekündigt, ermahnt pünktlich zu sein, zu festen Stunden, Minuten gereicht. Die Kabine, sauber, das Bett lang genug, eine kleine ausrechende Nasszelle schliesst neben einem eigenen Tisch und zwei Stühlen den Komfort für den Raum ab.

Die LkW Fahrer bestimmen das Bild.
Den Wagen abgestellt, die Kabine bezogen, eröffnen sie seit dem ein sich nicht zu unterbrechendes, nicht enden wollendes Besäufnis. Ich sehe niemanden der nüchtern ist, der nicht trinkt. Der nicht auf dem Aussendeck raucht, lacht, sich unterhält und die nächsten Biere holt, den nächsten Wodka reicht.
Das erste Bier sehe ich um 8:00 zum Frühstück, die ersten total desolaten werden unter Begleitung zum Mittagstisch eskortiert, gestützt und abgeführt. Bis zum Abendessen Literweise Schnaps konsumiert.
Es ist Montag der 10. Juni, gleich ist es 18:00 das Abendessen wird eingedeckt. Morgen Abend ab 21:00 müssen die Kämpfer, einsamen Fahrer zurück auf die Straße. Ich frage mich ab wann sie das systematische Abfüllen beenden. Nüchtern wird man in 24 Stunden bei 3 Promille nicht mehr.

Zwei Tage und ein paar Stunden werde ich an Board sein. Die See, bisher, ist glatt, ruhig, klar, türkisblau. Ein russischer Dreimaster zieht leise, in weiter Entfernung, an meinem Fenster, ein großes, Messing umrahmtes, mit vier schweren Drehverschlüssen geschlossenes Auge vorbei. Kleine Delphine kreuzen, durchziehen mit ihrer Finne das Wasser, spielerisch, seicht, lockern sie das Bild auf die Weite des Meers auf.

Zeit den Wind zu spüren, aufs Deck zu gehen, in die Ferne zu schauen.

Ex oriente lux

Morgen komme ich in Batumi an.

eine neue Stufe

2.6. – 4.6 und 5.6. Odessa
Vilkove – Tatarbunary 68 km
Tatarbunary – Satoka 103 km
Satoka Tag am Strand 0 km
Satoka – Odessa 63 km

Leider mussten wir, Richard und ich, das Camp verlassen, alles war belegt, kein Wunder, alles war für den folgenden Tag ausgebucht, die Ruhe, der Strom, die Gelassenheit, die Freundlichkeit, der Service, das leckere Essen, kein Wunder.
Auf der Rausfahrt besuchten wir noch das Lokale Museum, Stadtgeschichte, in Vilkove.
Wieder fand ich über all Spuren deutscher Geschichte. 1814 ist ein Vor-Vorfahre Richards, vom Zaren gerufen, das Land urbar zu machen, den Ruf nach Bessarabien, gefolgt.
Jetzt ist Richard auf den Spuren seines Vaters der mit 12 Jahren 1940 das Land verlassen musste. Es beschäftigte ihn sein halbes Leben. Sein Vater wollte nicht mehr zurück, traute sich nicht, wollte es nicht wieder sehen, jetzt ist sein Sohn auf dem beschwerlichen Weg. Seine Wurzeln suchend, voller Emotionen.

Auf halber Strecke trennten wir unsere Wege, einig, unsere Zeitpläne, unsere innere Uhr. Richard folgte einer Einladung ans Schwarze Meer, ich fuhr weiter nach Tatarbunary. Das war jetzt besser so, es fühlte sich für mich besser an, glaubte auch ihm auf den letzten zwei Tagen vor seinem Lebensziel ihm den Platz zu geben zu müssen, sich seiner Geschichte ganz hinzugeben.

Tatarbunary war ein Kaff. Zentral ein kleiner Vergnügungspark, ein Park wie er in allen russischen, ukrainischen Zentren zu finden sind. Kinderspielplätze, Platz für Gemeinsamkeit, Treffpunkte, Parkbänke, Schatten spendende Bäume, werden im Osten groß geschrieben. Familie, Nachbarschaft, Druzhba. Leider gehen viele Anlagen, mangels Geld, so langsam danieder. Trotzdem werden sie, auch verrottet, rostig, gerne angenommen, genutzt.

Es war beschwerlich etwas zu essen zu finden. In einem Magazin holte ich mir das Nötigste. Das Hotel, über einem Kaffee, einfach, aber zweckmäßig. Es hatte Strom, ein funktionierendes Internet, notwendig oder hilfreich für meine Planungen, und eine saubere Dusche.
Klar könnte man sich in dem Ort auch auf der Straße versorgen, Abends aus dem Ort herausfahren, sich ein stilles Plätzchen suchen, wild zelten, und 10 oder 5 Euro sparen. Ich bin ja keine Pupe, aber ehrlich gesagt, ich zahle dann doch gerne die zehn Euro für Strom, Wasser, Bett und Internet. Könnt ihr euch vorstellen wie Haut, Haare und Kleidung nach stundenlanger, vielleicht sieben bis zehn Stunden auf der Straße, Fahrt auf den Wegen, über Sand, Staub und Schmutz, verschwitzt, klebrig, sechs Liter Flüssigkeit sind durch die Poren geronnen, versalzt ist?
Mir ist da eine Dusche was wert. Solange ich meine Tagesetappen so planen kann, nehme ich mir den Luxus.

Ich bin auf einer neuen Stufe.
Tatarbunary nach Satoka 3.6. 2019
Ich bin auf einer neuen Stufe.
Aber das Gefühl hatte sich schon länger ausgebreitet, durchströmt, sich bemerkbar gemacht. Es kam aus dem Bauch, aus dem Herzen, beseelte, beflügelte. Es waren erst Ahnungen, unmerklich klein, aber Kraft gebend, stärkend.

Ich hatte das Schwarze Meer erreicht, war raus zum 0 Kilometer Punkt gefahren, zur Mündung der Donau, es war befreiend. Ich hatte meine 2 Etappe, eine Stufe, mein gesetztes zweites Ziel, welches ich erreichen wollte, erreicht. Über 2600 Kilometer.
Ab jetzt geht es nach Odessa. Ich kann noch gar nicht definieren wie weit meine neue Stufe reichen wird. Wird es bis zur Fähre sein, wird es bis nach Batumi reichen oder komme ich auf dieser Stufe, einer Entwicklung, vielleicht sogar bis nach Tiflis. Ich werde es spüren.

Es sollte heute eigentlich regnen, bin aber trotzdem guten Mutes recht früh heute gestartet. Der letzte Ort lud nicht zum verweilen ein. Ich wollte auch noch mal zur Küste, an den Strand. Also habe ich mich auch für die schwierigere Strecke von 85 km quer Feld ein, auf direktem Weg nach Satoka gemacht.
Voller neuem Tatendrang, entspannt, meiner sicher, kein Weg noch so schlecht, kein Schotter, kein Berg störte mich.
Und es war schwierig, und es war heiß und es hat schlechte Straßen gehabt, aber es gab keinen Regen und zu Belohnung weil auf dem letzten Stück der Streifen am Meer entlang gesperrt war durfte ich noch einen 21 km langen Umweg fahren. Es hat mich nicht gestört. Hat aber unendlich viel Spaß gemacht. Zum Glück hatte ich heute für die über 103 Kilometern und 7 Stunden reine Fahrtzeit genug zu trinken dabei.

Satoka. 4.6.2019
Ein Badeort, ein Ausflugsziel der Ukrainer, Sandstrand, zahllose Buden, Appartements, neue Betonbauten, vier, fünf geschossig, Holzhütten aus den 70er Jahren, flache ursprünglich Häuser mit Gastquartieren, Ruinen, moderne Hotels, Bierbuden alles wild gewürfelt auf X Kilometer am Strand entlang.
Direkt im Zentrum, mein Weg stieß im rechten Winkel auf die Hauptachse des Vergnügungsort, auf das zweite Haus. Ein flacher Bau, ein kleiner Innenhof umgeben von einem kleinen Schrebergarten, einem zentralen Plumpsklo und von gut einem duzend kleiner Kammern, an einander gereiht. Ein freundliches Gesicht, ein älterer Mann mit nackten Oberkörper, sonnengebräunt, ein zäher Körper, klassisch, sprach mich an, guckte, winkte, gab zu verstehen dass man bei ihm wohnen konnte. Ich schaute mir die Kammern, die Zellen, an.
Ich war begeistert. Es war nichts aufgesetztes, es war üblich, normaler Standart, sehr einfach, sehr nett, sauber und sehr günstig.
Ich quartierte mich dort für 2 Nächte ein. Verbrannte mir am Folgetag, nach einem wunderbaren Bad im Meer, am Strand, ich schlief ein, den Rücken und die Oberschenkel. Ich weiß nicht wie lange ich dort gelegen hatte, dachte nicht dass ich mich der Sonne dort so lange ausgesetzt gehabt hätte, war aber dann doch ganz nett rot.

5.6. 2019
Satoka – Odessa

Ich lasse mir die Laune doch nicht vermiesen. Auch wenn manchmal meine Navigations app schon verdammt viel Humor abverlangt.
Die Fahrt nach Odessa, auf kurzem Weg geführt, brachte mich über unzählige Kilometer durch Vororte, Industriegebiete, nur langsam rollende Schotterwege, nicht viel Schönes, nichts Besonders.
Die Straße führte vorbei an Tschornomorsk, der vorgelegenen Hafenstadt, Abfahrtsstelle der Fähren übers Schwarze Meer. In der Ferne sah ich eines der Schiffe liegen. Vielleicht war es die Kaunas oder die Greifswald, Fähren die Batumi, Poti anfahren.

Odessa.
Odessa, das Paris des Osten.
Charme, Charme Charme. Gelassenheit, Flair. Kunstvolle Gebäude, Geschichte, jeglicher Luxus, Armut, Stolz und Verzweiflung, Mut, Kreativität und Pragmatismus liegen hier dicht nebeneinander.
Ich schaffe mein Gepäck und Rad in ein winziges Hotelzimmer, gehe duschen, dann raus die Stadt besuchen, sehe das spätbarocke Opernhaus, stehe auf der potemkinschen Treppe, sitze an der Flaniermeile, höre die Musik, sehe die unglaublichsten Gestalten und bezahle für mein Abendessen mehr als für 2 Nächte in meinem Hotel inklusive einem Frühstück.

Jetzt lasse ich die Stadt auf mich zu kommen.

(Nebenbei muss ich mich um die Fähre kümmern, und Geraldine vom Flughafen abholen. Sie kommt, sie will mich gerne besuchen. Willkommen. Es wird spannend in Odessa)

zum O Kilometer Punkt – Ende der zweiten Etappe

30.5. 31.5 – 1.6

Braila Rumänien
Moldawien Transit
Reni Ukraine Izmail 30.5.
Izmail nach Vilkove 31.5.
Donaudelta Kilometer 0 am 1.6.

Die Fahrt von Braila nach Izmail hatte, naja, irgendwie nichts wirklich besonderes. Die Strecke raus aus Braila, übers flache Land, lief schnell, eine Bundesstraße mit stetigem Verkehr, Leitplanken die die Lust zum stehenbleiben vermiesten, aber ansonsten, na ja, nichts besonders. Auch Galati, der Grenzort bezirzte nur durch eine riesige Fabrikkulisse, Kilometerlange Versorgungsleitungen, Gestrüpp, rostiger Wellblechbauten.
Dann kam die Ausreise Rumänien, ein freundliches, leicht gelangweiltes Durchwinken, der Transit durch Moldawien, mit einer einfachen, aber schnell und anstandslosen Kontrolle der Papiere und die Einreise in die Ukraine mit einem enormen Bürokratiegewusel, mehrfacher Nachfrage für einen Reisegrund, den ich in der kürze der Zeit nicht erklären konnte, einer tiefen in Augenscheinnahme meines Gepäcks, der Medikamente, der Suche nach Waffen, Drogen und Gassprays, das sie aber nicht entdeckten da es zu offensichtlich in der Fronttasche lag. In Anbetracht der bald anstehenden Ausreise werde ich mich davon nun trennen.
In Reni, Ukraine, gab es Banken, ich konnte mich mit der Landeswährung eindecken, ein trockenes Plätzchen, das mir die Gelegenheit zu essen bot, während eine kleine Schauer über mich drüber hinweg zog. Weiterfahrt dann bis Izmail.
Was den Tag dann, auch im nachhinein, so anstrengend in Erinnerung hielt war nicht die eigentliche Distanz an diesem Tag von ca. 108 Kilometer sondern einfach dass die zweite Hälfte der Etappe bald 68 Kilometer ohne nennenswerte Pausen waren. Selber Schuld.

Auffallend aber eines, die Leute sind nicht mehr so direkt, offensiv freundlich, wie in Bulgarien oder Rumänien, rufen nicht mehr „Hey you, hello“, sie sind etwas zurückhaltender und auch zurückhaltend mit der direkten Müllbeseitigung. Die Ukraine ist im Vergleich zu den letzten 4 Ländern auffallend sauberer.

Begleitet werde ich auch an diesem Tag von Richard, einem Förster aus dem Schwarzwald. Auch er ist mit dem Rad, von der Quelle zur Mündung unterwegs.

Den nächsten Tag, die Fahrt von Izmail nach Vilkove, möchte ich am liebsten anbetracht des Zielortes, des heutigen Tages, gar nicht beschreiben, vergessen.
Es war eine quälende Fahrt. Sie war gar nicht allzu lang, es gab kaum Hügel, plattes Land, aber es gab eigentlich auch keine Straße mehr. Man darf getrost die gelbe Linie aus allen Straßen Karten herausradieren. Diese 80 Kilometer war das reine Schlagloch Rodeo, immer wieder ausweichen, abbremsen, beschleunigen, rein fahren, rauer grober Asphalt in Brocken, ausgeschlagene Stellen über zwei oder drei Meter im Durchmesser, halber Meter Tief, für moderne Fahrzeuge unbefahrbar, definitiv und es fuhren auch gar keine Autos mehr auf dieser Strecke. Es war unmöglich. Die stetige Konzentration war die Anstrengung, der Blick immer auf ein zwei Meter vor das Vorderrad gerichtet, kaum ein Blick in die Landschaft. Dann folgte eine nicht enden wollenden Gerade, ich schätze an die zwanzig Kilometer, sie zermürbte, man konnte keinen Punkt fixieren auf den man zu rollen konnte, wo man ein Weiterkommen spüren, sehen konnte. Die Hitze stieg, die Luft stand, die Luft aus meinem Hinterreifen entschwand, eine der unzähligen Kanten, Schläge musste meinen Schlauch gelöchert haben, die Mücken freuten sich an der salzigen Haut, labten sich an meinem Blut als ich den Schlauch wechselte, schwitze, fluchte.

Warum nur nach Vilkove, Wilkobo, warum nur? Weil es der nun wirklich letzte Ort an der Donau ist, die Straße geht nicht weiter, Vilkovo ist das kleine Venedig des Osten, es ist das Venedig mit Kanälen durchzogen am und im Delta der Donau. Und es ist schön. Das Camp ein Genuss, direkt an einem Flussarm gelegen der leise vorbeizieht, der nur noch wenige Kilometer durch Sümpfe, Gräser und unzählige Insel zieht, ins schwarze Meer strömt.
Er strömt und er strömt eine Gelassenheit, eine Ruhe und unendliche Kraft aus.
Ich bin nun von Passau aus 2619 Kilometer bis hier ans Ende der Donau gefahren und wenn ich die Kilometer aus der ersten Etappe dazu zähle 3850 Kilometer.

Gesegnet wurden die Anstrengungen der beiden letzten Tage durch die heutige Flussfahrt, raus durch das Delta zum 0 Kilometer Punkt, zur Mündung, zum Schwarzen Meer, das Gurren der Tauben, fliegende Pelikane, Störche und Reiher, das Quacken der Frösche, das Rufen der vielen Kuckucks, das kühle Bier, meine Plauze bleibt, der Bart wächst der Schnäutzer ist mir unheimlich, der Blick auf diese Tier reiche, friedliche Landschaft, die netten Menschen, das leckere Essen, das warme bis sehr warme Klima, der phantastische Service hier auf dem Platz, man bestellt was man gerne wann zu essen haben möchte und die Donauprinzessinnen bringen es, pünktlich.

Leider, sehr schade müssen wir morgen weiter. Der Bungalow ist schon vermietet.
Also heisst es den heutigen Tag hier so gut es geht und noch besser zu geniessen. Die Luft zu atmen, die Atmosphäre, das Wasser zu berühren, jeden Moment am Wasser, den Strom, die Lebensader, die Verbindung der Kulturen, Träger des Lebens zu erleben.

Eine Geschichte über ein Ereignis mit meinem Vater wollte ich heute noch anstellen, passt aber heute hier nicht hin. Und ja. (An.) es gibt dieses Gefühl, dass der Vater einen begleitet, dass er da ist, aber ich suche die Verbindung, die Erinnerung, die Nähe.

Mit dem Erreichen des Donaudeltas und dem 0 Kilometer Punkt habe ich eine für mich wichtige Etappe, Stufe erreicht. Ziele so setzen, das sie erreichbar sind. Ein Ziel wie China oder Vietnam zu haben sind sehr hoch gesteckt, nicht vorstellbar, die Zeit ist nicht abzuschätzen. Ich muss, um mich nicht zu fürchten, nicht ab zu brechen, durchzuhalten, mir einzelne erklimmbare Stufen zu recht legen. Die Fahrt bis Passau, ans Ende Deutschlands, die Fahrt bis zum Schwarzen Meer, jetzt beginnt die Fahrt nach Odessa, ein neues Kapitel schlage ich auf, durch die Ukraine und dann später erst kommt irgendwann Georgien und Aserbaidschan. Aber das kommt erst später auf mich zu.

vielleicht ein Wandel

Ruse 23.5. 39 0
Tutrakan 24.5. 40 61,09
Silistra 25. Mai 41 65,9
Cernovoda 26. Mai 42 108
Daeni 27.5. 43 80,29
Braila 28.5. 44 85,25
Braila 29.5. 45 0

Ich schmeisse euch die Fakten und die Statistik hier zu erst einmal hin. Ich brauche das auch selber zur Orientierung. Das waren wieder 5 Reisetage voller Eindrücke, Qualen und Freuden, und neuen Bekanntschaften.
Heute am Mittwoch den 29.Mai, ich sitze auf dem Bett meiner Pension in Braila, komme ich erst zu meinem Tagebuch. Es wurde Zeit. So viele Gedanken und Erinnerungen, schon einmal im Geiste vorformulierte Sätze verschwimmen, Eindrücke verblassen, bekommen unter den vielen Kilometern und Folgetage einen neuen, anderen Stellenwert. Schreibe ich sie noch nieder, konzentriere ich mich auf andere Punkte? Das Ergebnis kenne ich auch erst in ein paar Stunden, wenn ich den Computer geschlossen habe, die Bilder bearbeitet, den fertigen Text hochgeladen.

22.Mai und 23.Mai
Ich hatte mir 2 Ruhetage in Ruse gegönnt
24. Mai
Fahrt nach Tutrakan 61 Kilometer, (Landstraße, etwas Verkehr, trocken, ging sehr schnell
25. Mai
Tutrakan nach Silistra auch nur 65 Kilometer waren auch einfach (Grenzort zu Rumänien)
26. Mai
von Silistra nach Cernovoda 108 Kilometer verdammt hart und mit über 1000 Höhenmeter
27. Mai
Von Cernovoda nach Daeni auch gute 80 Kilometer, auch echt anstrengend , wieder gute 800 Höhenmeter
28. Mai
Von Daeni nach Braila
Wieder gute 80 Kilometer, teilweise extrem harter Gegenwind, ansonsten aber eine schöne Fahrt

Kommen wir zurück nach Ruse
Es ist schon ein verdammter, unendlicher Luxus, in dem ich hier schwebe.
Ich hatte zwei wunderbare Abendessen in einem Restaurant. Catfish, Wells, Waller und an dem einen Tag und an dem zweiten Abend Muscheln aus dem schwarzen Meer, ausgesprochen toll, so unvergleichlich besser, (leider) als unsere norddeutschen. Es gab dazu, ich weiß nicht wie und ich weiß nicht woher sie ihn hatten, einen selbst gemachten, leckeren, erfrischenden Weißwein. Beide Tage bei wunderbarem Wetter, die Menschen in Ruse nett, freundlich offen. Eine Stadt mit Atmosphäre, einzelne Häuser mit morbiden Charme, langer Historie, Eleganz, junge Menschen spürbar aufstrebend, die Zukunft begehrend.
Auffallend viele junge Menschen, auffallend viele junge Mütter mit kleinen Kindern, Kinderwagen, entspannte Atmosphäre in den Cafés, Restaurants, den Parks, auf dem großen zentralen Platz. Jeder lässt jeden hier leben, ist höflich, freundlich, zurückhaltend. Ich hatte Ruhe, Zeit zum Lesen und sinnieren.
Man kann sich hier festsetzen, bequem werden, es wird schwer sich wieder aufzuraffen, so angenehm.

24.5
Ich wollte weiter. Die Argentinier hatten einen anderen Rhythmus, liessen sich nicht blicken, ich startete wieder alleine.
Zuerst fiel es mir schwer. Mein Eintrag, meine Gedanken zu meiner Geschichte, Bemerkungen in dem letzten Tagebucheintrag, hatte Nachwirkungen. Die Seele, das Herz war berührt worden, Erinnerungen geweckt, Verletzungen kamen hoch, kleine Narben juckten, meldeten sich.
Ich träumte, die Nacht war durchzogen von Anstrengung.
Tutrakan, die Entfernung kam mir sehr gelegen, nicht so weit das man ehrfürchtig an eine Etappe hätte gehen müssen, nur 61 km, weit genug um mich durch schnellen Tritt, schneller, Fahrt und Anstrengung auf andere Gedanken bringen zu können.
Das erste Hotel im Ort war gut genug. Abendessen im angegliederten Restaurant, ein Gewitter zog herüber, der Blick aus der dritten Etage über die Auen, der sanft fließenden Donau, beendeten den Tag stimmungsreich, mit den noch auf dem Herzen liegenden Bildern.

25.5
Ein neuer Radfahrer kreuzte auf. Richard.
Weiterfahrt mit Richard nach Silistra.
Das ist gut.
Silistra – Grenzort zu Rumänien.
Wir nehmen wieder das erste Hotel, waren zu bequem, verglichen das Angebot nicht mehr mit anderen, prüften nicht mehr den Komfort, vergewisserten uns nicht mehr der Tatkraft des Restaurants und dem angebotenen Frühstücksservice, waren mit dem ersten Eindruck zu frieden, waren zum Schluss enttäuscht, genervt, wütend und auf uns selber sauer.
Schmutz, eine tote Kakerlake, eine gebrauchte, alte Weiberunterhose, hing vergessen noch am Handtuchhalter, das Restaurant öffnete erst gar nicht, Frühstück gab es keins.
Ich fühlte mich verarscht.
Entschädigend aber war der Abend am Fluss, der Sonnenuntergang, das Abendessen in einem anderen, einem geöffnetem Restaurant und die Begegnungen in der Stadt.
Die Reise, das Gefühl der Reise, nahm für mich eine spürbare Wandlung.
War es vorher stark von Aufbruch, Aufwand und Mühe bestimmt, dem Druck der Überwindung, sich aufzuraffen, weiter zu fahren, durchzuhalten,
brachte der Abend am Strom, das Bierchen zum Feierabend, die letzten Strahlen der im Westen untergehenden Sonne etwas von der süße des Fernwehs.

Mit Richard 26.Mai nach Cernavoda
Es gab drei unterschiedliche Möglichkeiten, Richtung der Ukraine, für mich weiter zu kommen. Eine direkte Linie, glatt, bequeme 170 bis nach Galati, wahrscheinlich auch eher langweilige, oder über Konstanza, ein viel weiterer Weg, vielleicht zu lang, da ich am 5 Juni gerne in Odessa sein möchte, oder den mittleren, der Donau auf der gebirgigen Seite, anspruchsvoll wellig, abwechslungsreich, folgend.
Wir nahmen, ich stimmte ahnungslos zu, die brutale Tour.
Über 108 Kilometern und 1030 Höhenmeter in 7 Stunden
Ein sehr warmes Wetter, 28 Grad Celsius, nur ein lauer Luftzug, – das ständige rauf und runter, erschwerten den Tag.

Dann kamen wir in Cernavoda an. Jedes Zentrum nahe Hotel war geschlossen. Eine umständliche Suche brachte schlussendlich, außerhalb der Stadt, neben dem AKW Erfolg. Zwei Hunde Attacke sollten, eine Meute von einem halben Dutzend wilder Köter, zähnefletschend griffen an, der Abschluss des Tagesfahrt sein.
Man kann und sollte nicht zu flüchten versuchen. Ein direkter Angriff auf die kleinen Bestien, sofortiges Abbremsen der Räder, beide Füße auf den Boden, die Augen auf die Angreifer fixieren, anbrüllen und möglichst auch mit einem Steinwurf drohen, erschrecken und verängstigen die kläffenden Hunde. Es gehört zu Anfang ein bisschen Mut und Selbstbewusstsein dazu, aber es ist das sicherste und zwingt die irritierten Angreifer selber zur Flucht.

27.Mai von Cernavoda, weiter Richtung Galati, bis nach Daeni

Die Strecke war wieder sehr anspruchsvoll, zäh, meine Motivation war auf dem ersten Drittel bald gegen null. Es sollte sich legen. Aber es war lang und belastend.

Gelegenheit eine der schönen Seiten, eine Begegnung, Gastfreundlichkeit, zu erwähnen.
Im Ort Daeni, die Infrastruktur ist bis auf die zwei Kneipen und dem Supermarkt, auf null runter gefahren worden, wir orientierten uns gerade, schauten auf die Straßenkarte, überlegten weiter zu fahren oder sprachlos einfach stehen zu bleiben, kam ein Mann lächelnd auf uns zu, fragend, staunend, was wir in dem Ort suchen, erwarten würden.
Nein, Zimmer oder Pensionen gäbe es keine, wir könnten in seinem Hause übernachten. Ich hatte mich auf eine Nacht im Zelt, am seichten Ufer der Donau, innerlich etwas gefreut, eingestellt.
Zu Gast, privat, in eines der aus Lös und Lehmziegeln gebauten alten Häuser, Einblick in die Lebensweise, Wohnung, einen geselligen Abend, zu bekommen, versprach eine wunderbare Erfahrung, eine Bereicherung der Reise.
Lorenzo ungefähr in unserem Alter, gebildet, interessiert an Photographie, Essen, Kultur und Reisen, war nur für zwei Tage, aus bürokratischen Gründen, etwas mit dem Grundstück musste behördlich geklärt werden, zu seinem Elternhaus, aus Bukarest kommend, angereist.
Er sagte „You are lucky“ weil nur jetzt wäre er dort und nur so konnte er uns beherbergen – und ja wir waren lucky.
Wir, (ich), kochten zusammen, aßen, tranken, schwatzen und lachten.

28.Mai
Zum Frühstück, backte er eine Pie aus Käse und Ei, kochte einen starken leckeren türkischen Kaffee und schickte uns, gestärkt, beseelt mit den besten Wüschen und Segen auf die nächste Etappe. Begegnungen die kommen, die man nicht planen kann, die sich ereignen, Begegnungen, Ereignisse die sich fügen. Alles ist im Fluss.

Die letzte Etappe bis Braila, von ein paar Kilometern mit extremen Gegenwind gezeichnet, verlief locker.
Ganz anders hingegen die Suche nach einer Unterkunft in Braila, sie war kompliziert, ausverkaufte Hotels und mit unverschämten Preisen gekrönt.
Ich möchte gerne zum schreiben kommen, Wäsche waschen und mich auf den nächsten Abschnitt, der Ukraine, vorbereiten. Zum Schluss habe ich meine Suche, im Grand Hotel, (ohne Liftboy) für eine Nacht, aufgegeben.

29.Mai Ruhetag. 15:00
Eine neue, günstigere Unterkunft ist bezogen, die Wäsche ist in einer Maschine, der Text ist geschrieben, jetzt noch ein paar Bilder raussuchen..und dann ein Spaziergang durch den Ort.
Es gab so viele beeindruckende Gebäude, die ich gerne noch im Tageslicht in Augenschein nehmen möchte.

Ach ja und morgen geht es dann durch Moldavien, im Transit, in die Ukraine. Ein neuer Abschnitt der Reise beginnt. Ich kann es noch nicht genau beschreiben, aber es ist ein neuer, eine neue Stufe, der Reise.

So fühlt es sich an.

Text habe ich kein zweites mal mehr Korrektur gelesen.. müsst ihr mit klar kommen.

Antwort 2 auf Herrn Unbekannt

Lieber:

ja vielleicht gehören meine Ausführungen zu Deinem Brief nicht ins Tagebuch.
Doch würde ich – ohne diese Reise – ohne diese Reisen nicht diese Erfahrungen machen – und vielleicht gehören sie deshalb doch ins Tagebuch.

Antwort an meinen anonymen Schreiber Teil zwei:
So was kommt dann dabei raus, wenn man Zeit zum nachdenken hat und Muse zum schreiben.

Dein Brief ist gut, weil emotional, weil er viel aussagt, weil auch eine gewisse Wut heraus zu spüren ist. Das ist OK.
Ich kann dir vielleicht nicht in allen Punkten recht geben, aber er beschäftigt mich.
Ich bin über manche verquerte Frage froh.
Punkt welche Forderungen stelle ich an meine Familie.
Gute Frage; welche? Und sind sie gerechtfertigt?

Dazu möchte ich Dir , Unbekannter, sagen dass es auch auf die Sprache ankommt, wie man was formuliert, formuliert hat, seine Anliegen vorgetragen, gezeigt hat.
Es gibt mit einem sieben Möglichkeiten etwas auszudrücken und sieben Möglichkeiten den gleichen Satz zu verstehen.
Daher sollte die Wahl der Worte, gerade bei den Kurznachrichten, wohl überlegt sein.
Dazu kommt dass man mit dem was man mitteilen möchte auch die richtige Sprache verwenden sollte, aus dem „Ich“ Standpunkt kann man seine „Forderungen“ der Familie gegenüber, den Freunden gegenüber, dem Partner gegenüber anmelden.
Und wenn Du es nicht Forderungen sondern Bedürfnisse nennst und auf der Ich Ebene bleibst – kann man Dich auch verstehen. Ich möchte gerne reisen, ich möchte Dich gerne sehen, ich vermisse Dich, ich bin traurig, ich bin auf der Suche, ich möchte gerne alleine sein, ich möchte gerne mit Dir zusammen sein.
Dann kann man Dich verstehen

Ich möchte zu Ruhe kommen, ich möchte nicht verletzt werden, ich möchte wissen wer ich bin, was mich ausmacht und warum ich so bin wie ich bin.
Was weiss ich bisher?
Ich bin auf der Suche nach meinem Vater. Ich bin auf der Spurensuche.

Mein Vater ist schon lange tot musst Du wissen – ich war sehr jung als er starb.
Ich habe das Gefühl zu wenig Zeit mit ihm verbracht zu haben, zu wenig Nähe zu gelassen zu haben. Ich war bei meiner Mutter, ich war im Internat, ich war mit Freunden weg, ich war unterwegs, ich hatte mir zu wenig Zeit genommen.
Die Zeit, die ich im Internat verbracht hatte, alleine ohne Familie, erinnert mich oft ans Reisen, an das alleine reisen, an das alleine sein, ans selber schaffen müssen, an sich dem Alleinsein stellen, ohne Familie, ohne Partner zusein.

Ich stelle keine Forderungen an meine Familie, ich bitte sie mich zu verstehen.
Ich habe gerne, hätte gerne, eine Familie, ich wollte immer gerne eine Familie haben, Kinder.
Allerdings habe ich es nicht geschafft. Unvermögen. Zuerst war ich wahrscheinlich zu jung, hatte die zu wenig Verständnis zu den Bedürfnissen der Familie, ich konnte sie nicht hören, sehen, was sie mir vielleicht gesagt hatten, welche Ansprüche sie gestellt haben. Ich habe es nicht gehört, nicht verstanden. Dann lief ich einem Traum nach, eine süße Wolke, eine neue Familie wurde mir versprochen, ich glaubte dran, warf alle meine Hoffnung hinein, habe auf meinen Magen nicht gehört, das wehklagen meines Herzen ignoriert und bin in dem Schmerz, der Trauer bald umgekommen.

Unvermögen. Ich vermochte nicht zu hören, zu verstehen, zu sprechen. Ich war zu.
Mit vierzig kam die Erste die diese Türe aufschloss, die mich sehen lies, sprechen und hören. Die den Schlüssel hatte, für das ich unendlich dankbar bin. Durch diese Türe habe gehen können und erfahren was auf der anderen Seite, was auf einer anderen Ebene ist.
Man denkt, ich dachte, ich hätte vorher alles verstanden, gewusst, gekonnt. Ich konnte vorher gar nichts.

Es gibt Menschen die Dein Herz berühren.
Und manchen geht es genauso wie Dir, wie mir. Das kann befruchtend, unterstützend, das kann aber auch sehr schwer, sehr anstrengend sein.

Deswegen ist eine deutliche, Sprache wichtig. Und richtig.

Sprache verstehen, verstehen lernen.
Manch etwas was man manchmal auf der Straße erlebt, was Menschen einem vorwerfen, was Fremde von einem verlangen, betrifft Dich, einen, meist gar nicht. Es sind ihre Probleme, ihr Stress, es sind ihre Sorgen, ihr Unvermögen, dass sie gerne auf Dich abwälzen wollen.

Deswegen höre auf die Ich Sätze