Aller Anfang ist schwer…..
Startpunkt sollte Regensburg sein, da ich im letzten Sommer auf meiner ersten Etappe Richtung China, die Strecke Regensburg Passau etwas geschludert hatte. Auf der gut sechsstündigen Autobahnfahrt, Geraldine brachte mich, gab es keine Insekteneinschläge auf der Frontscheibe.
Ein letztes Abendessen in Regensburg beim „dicken Mann“ wie treffend, eine Nacht im Zelt auf dem Campingplatz ohne Rezeptionist und ein letztes Frühstück am Mittwochmorgen im Café Lila.
Ich wollte mich gar nicht so wirklich richtig loseisen, trank einen weiteren Kaffee, ließ in Gedanken die letzten Tage Revue passieren.
Jetzt soll es also losgehen. Diesen Tag hatte ich mir schon vor über einem Jahr als Starttag gewählt…. Jetzt saß ich da auf der Bank im Café, fühlte mich wie ein kleiner Schuljunge der zurück in eine ungeliebte Klasse oder zum Sportunterricht, den er hasste, geschickt wurde.
Gezwungen. Aber ich habe mich gezwungen, letztendlich habe ich mich dazu gezwungen durchzuhalten, weiterzumachen.
Vor Monaten vielleicht sogar vor Wochen konnte ich die Frage; ja warum machst du das? sehr gut beantworten. Meine Suche, ein Weg der Selbstfindung, Ein Weg zur Erkenntnis, etwas für mich zu tun, Sich zu besinnen, in Klausur gehen, – einzigartige Reise Erfahrungen zu machen…. Sich vom Alten, vom Erzwungenen.. dem einengenden Alltag zu befreien… Und vieles mehr.
Jetzt sitze ich da und kann die Frage nicht beantworten.
Wenn meine zweite Etappe, dann am 15. April in Österreich beginnt, dann hatte ich mit bedacht richtig meinen Startpunkt, wie ich es deutlich in den letzten zwei Tagen zu spüren bekommen habe, zwei Etappen vor der österreichischen Grenze, von Regensburg nach Straubing, von Straubing nach Parschalling, gewählt.
Vier Monate ohne Training, eine satte Erkältung mit Kopfschmerzen und Husten die sich ein paar Wochen da hinzog, von Medikamenten gegen meinen Heuschnupfen geschwächt startete ich dann am 11. April von Regensburg die Donau runter.
In der Nacht fiel die Temperatur auf 4°C…der Morgen noch frostig, dick eingepackt, mit sorgsamen Blick, Taschen und Ausrüstung prüfend, ging es dann los.
Mit dem Rad reisen ist es ganz anders als mit dem Motorrad. Man reist langsamer, man muss genügsamer sein in den Erwartungen der Tagesziele und Etappen. Sich mehr vorbereiten, bedächtiger die Ernährung planen, auf genügend Wasser zu trinken achtend, und bei Pausen, abends am Zelt und Morgens beim Aufbruch wesentlich konzentrierter darauf achtend, der Müdigkeit geschuldet, nichts zu vergessen.
So vergaß ich meine Stirnlampe in Geraldiné´s Zelt.
Nach 40 km, am ersten Tag, mit nun vollem Gepäck, waren meine Oberschenkel dick, Energie los, und ich quälte mich nur noch bis nach Straubing, somit auf 55 Tageskilometer.
Ich war der einzige auf der Zeltfläche des ruhigen, noch halb im Winterschlaf liegenden, fast servicelosen Campingplatzes.
Ich baute mein Zelt das alle erste Mal auf, legte mich schon gegen Acht hin, schlief das erste Mal in meinem neuen Schlafsack, die Temperatur fiel in der Nacht auf 1° C ab, träumte viel und durch einander und wurde von einem Konzert duzender unterschiedlichsten mir vollkommen unbekannten Vogelgezwitscher geweckt.
Ich lauschte Minuten lang – wie schön das war – mir so unbekannt – Köln ist tot dachte ich mir…hier waren noch Insekten, Vögel die nicht von zu vielem künstlichen Licht, Industrielärm und Futtermangel verzogen, verstorben waren. Sie lebten, lachten, kündigten aus voller Kehle froh den Morgengrauen, den neuen Tag an.
Ein neuer Tag. Freitag der12. April 2019.
Heute musste ich weiterkommen. Geplant war es bis nach Parschalling zu meinem alten Reisegefährte Rudi. Und vorher ein kleiner Stopp bei Peter, ein zur Zeit ausgebremster Reiseenthusiast, an den Ort gebundenen, aber mit seinem Herzen und seiner Seele reisst er allen Reisenden und ihren Geschichten mit und nach.
Nach 76 km erreichte ich Ihn, müde, an seinem Häuschen in Vilshofen. Wiedersehensfreude und eine Überraschung, Peter hat auf der Suche nach mir, einen weiteren Radfahrer aufgegabelt, Jan aus Bonn. Jan fährt auch mit dem Rad Richtung China. Seine angedachte und angekündigte Durchschnittsgeschwindigkeit, von circa 100 km am Tag, das ist nicht meine. Ich werde ihn fahren lassen müssen, auch wenn ich den einen oder anderen Tag etwas Gesellschaft ganz nett gefunden hätte.
Dazu kommt dass ich die nächsten zwei Tage hier bei Rudi bleiben möchte, und meine gerade frisch aufgeweckten Muskeln und Knochen noch einmal etwas Zeit geben möchte sich zu sortieren.
Wohl denn, wohl an. Der Hintern braucht auch eine Pause.
Ach ja noch eine Anmerkung:
Tagebuch schreiben, Berichte verfassen, dafür brauche ich Kaffee, ein Tisch, Strom, genügend Zeit und Ruhe zum Gedanken sortieren und Wörter finden, Schachtelsätze knoten.
Das schaffe ich, nach einem anstrengenden Fahrradtag, nicht. Dann bin ich müde, habe Hunger, will duschen, und mich hinlegen.
Wie das schreiben in der kommenden Zeit wird, kann ich nicht abschätzen.
Ich möchte mehr von diesem fröhlichen Vogelgezwitscher hören.