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Unterbrechung, ein notwendiger Einschnitt

Unterbrechung, ein notwendiger Einschnitt

Mein Sohn heiratet(e).
Es war in meine Reiseplanung nicht einplanbar. Ich hatte mich damit abgefunden.

Zwei Jahre Reiseplanung und Vorbereitung, zwei Jahre arbeitete ich auf den Tag zu an dem ich aus dem Alltag in Köln raus fahren wollte. Es sind unzählige Vorbereitungen zu treffen.
Kosten zu reduzieren, Fahrzeuge ab zu melden, Lager zu verkleinern, die noch unfertige Wohnung zu renovieren, der private Kram, Kleider zu verpacken, Platz zu schaffen dass man Fläche vermieten, eine größere Wohngemeinschaft bilden kann, Kosten zu reduzieren.

Dann setzt man sich einen Abfahrtstag, arbeitet darauf zu, hält ihn im Auge, hält an ihm fest. Sonst kommt man nicht weg. Sonst schafft man es nicht aufzubrechen. Es ist ein Muss.

Die Nachricht, dass ich Opa werde, mein Sohn heiraten wolle, Tränen des Glücks, der Freude für ihn, kam so unverhofft und plötzlich.
Es war ein dreiviertel Jahr vor meiner Abreise, vor dem Aufbruch zu meiner Reise Richtung China, die dritte Episode.
Nach der ersten, dem Ausbruch aus dem Alltag, des Stumpfsinns, des Lösens aus dem Schmerz, kam die Fahrt der Suche, der Erkenntnis, sollte nun die Fahrt des Findens, des Ankommens und des Friedens folgen. Man lernt, erfährt in Stufen.
Das mag nicht leicht zu verstehen sein. Was für manche eine Flucht zu sein scheint, ist die Suche nach dem Ich, der Seele. Eine Reise alleine ist ein Weg der Klausur, der Konzentration, ohne Ablenkung. Man stellt sich seiner.
Aus den ersten beiden Fahrten gewann ich viele Erkenntnisse, aus dem Wissen heraus kamen Fragen.
Jetzt wollte ich ohne Panzer und ohne Scheuklappen, ohne Motorradrüstung, ohne Ablenkung auf den Punkt zu fahren an dem ich damals eine der wichtigsten Erkenntnisse meiner ersten Reise gewonnen hatte.
Auf einem der höchsten Punkte des Pamirs.
Es sollte und durfte ein weiter Weg sein, ich wollte mir die Zeit nehmen, mich auf diesen Punkt zuarbeiten.
Darauf habe ich bald zwei Jahre hingearbeitet.

Es gibt einen festen Zeitplan…leider, leider unumgänglich. Die hohen Berge, Pässe Tadschikistans, Kirgistans, China und Pakistans, sind nach September, Oktober nicht mehr fahrbar. Die Distanzen bis dahin gewaltig.
Für Tadschikistan und den Pamir mit 1800 Kilometer habe ich 30 Tage eingeplant, den August, für China und den Karakorum weitere 30 Tage, den September.
Bleiben mir jetzt nur noch 4 Wochen für Aserbaidschan, Kasachstan, Usbekistan, eine Schiffspassage, ungewisse Abfahrtszeiten, gewaltige Distanzen und wunderbare Städte wie Khiva, Bukhahra und Samarkand.

Am Samstag den 29.Juni heiratete nun mein Sohn. Eine Reiseunterbrechung war nicht eingeplant, war nicht möglich. Ich saß in T`blissi, Tiflis, vor meinen Karten, Visumanträgen, schrieb Tagebuch.

Dazu nun eine kleine Geschichte die mir seit dem Geschehen auf dem Herzen liegen. Nie verarbeitet werden konnten, da ich nie die Möglichkeit hatte sie mit meinem Vater zu klären, erst war ich zu jung, dann zu stolz, es tut mir ja gar nicht weh, ich bin ja schon groß, Indianer weinen nicht, dann keine Zeit, war zu dumm, zu beschäftigt, zu wichtig war dann die Teenagerzeit, ich war noch zu unerfahren die Wichtigkeit zu erkennen, dann war er tot.

Mein Vater am Zoo.
Ich bin einen Scheidungskind, vermisste meinen Vater, sah ihn alle zwei Wochenenden, er war gefühlt immer weit weg, zu weit, zeitlich, räumlich.
Ich ging in die vierte Klasse, erfuhr dass wir den Kölner Zoo besuchen würden. Köln, Wohnort meines Vaters, ich teilte es ihm an dem Besuchswochenende mit. Wir könnten uns außerhalb der gerichtlich angeordneten Zeit sehen. Teile ihm den Tag mit.
Der Bus fuhr vor, wir, die Klasse rannte durch den Eingang ins Gelände, entlang des Zauns.
Ich sah meinen Vater hinter dem Zaun stehen, er winkte. Er musste Stunden gewartet haben, da er nicht wissen konnte wann wir ankommen würden, wo wir parken, aussteigen, in welchem Bus wir, ich sein würde.
Ich sah ihn. Winkte zurück und rannte mit den anderen weiter.
Ich sah ihn und war mit dem Glück, mit dem plötzlich Möglichen überfordert, ungeübt, unfähig den echten Gefühlen, den wahren, ehrlichen in meiner Brust, der Sehnsucht, dem Herzen folgend, nach zu geben, zu handeln.
Ich ging cool mit der Gruppe weiter.
Ich brauchte 5 Minuten. 5 Minuten waren es vielleicht, vielleicht etwas mehr, bis ich regieren konnte und meinem Herzen folgend handeln.
Ich lief zurück zu dem Zaun. Ich wollte ihn sehen, sprechen, ihn berühren, ihm sagen dass ich ihn liebe, vermisse und dass ich stolz auf ihn bin dass er, mein Vater da ist.
Zu spät – er war gegangen.

Verpasst.
Eine verpasste Gelegenheit. Nichts läuft einem länger nach, als eine verpasste Gelegenheit. Eine Gelegenheit einem zusagen; Entschuldigung, ich liebe Dich, ich vermisse Dich, ich bin für Dich da. Eine verpasste Gelegenheit jemanden an zu lächeln, sich zu bedanken, jemanden an zu sprechen, ein Hallo zu sagen, wird belasten, man wird sich dran erinnern.
Verpasst zu spät.
Man kann einen Moment verpassen, ein Photo das nicht gemacht wurde, ist nicht nachhohl bar. Der Moment, die Gelegenheit verpasst dabei zu sein ist nicht nach holbar.

Gerorgien Tiflis.
Geraldine war zu Besuch.
Es ergab sich ein anderer Reiserhythmus, geschuldet an der Fortbewegung,
Geraldine mit den öffentlichen, ich mit dem Fahrrad.
Wir mussten die nächsten Ziele fest anvisieren, es gab für mich kein weiterfahren, kein vorher aufhören oder länger bleiben. Abflugstermin, der Rückflug Geraldines wurde festgelegt.
Mein Visum für China war in Arbeit. Eine Bestätigung, das Visum sagte man mir könnte ich erst nächste Woche, am Montag abholen.
Christoph, ein Radler auf dem Weg nach Asien, auf dessen Gemeinschaft ich mich freue, ist noch in den Bergen. Wir sind verabredet. Ich möchte mit ihm gerne Richtung Aserbaidschan weiterfahren.
Ich hatte plötzlich 4 Tage Stillstand, Zeit.
Ein ungeahntes, unerwartetes Zeitfenster öffnete sich für dieses eine Wochenende, ein Wink, ein Zeichen, ein Tritt.
Ich buchte mir einen Flug. Griff zu. Freitagabend war Platz in einer Maschine, Ankunft Köln 2:00 Uhr am Samstagmorgen, Trauung 13:45.
Die Hochzeitsgesellschaft steht vor der Severinstorburg, das Standesamt Köln traut in der Mittelalterlichen Torburg, ich sehe die ersten aus der Ferne, man lacht, begrüßt, freut sich, die Stimmung ist freudig, erwartungsvoll, sehe Blumensträusse, Luftballone, es ist sommerlich warm, heiss, ein stahl blauer Himmel.
Herzschlagen. Der Puls spürbar am Hals, der Mund trocken, die Augen feucht, die Hände nass.
Zwischen all den Gesichtern, Menschen, Freunden, Bekannte, Unbekannte, erkannte ich zuerst meinen Sohn, schneidig, stolz, groß, er sprühte sein Glück heraus, erblickte ihn, er mich.
Noch 5 Schritte, drei, zwei, einen, eine Umarmung, fest, haltend, wollte ihn spüren, halten, küssen, anschauen, sehen wie seine Augen glänzten, sein Anlitz, seine Augen die mir alles sagten, seine Hoffnung, sein Dank, sein Glück, sein Lächeln, ein Seufzen.
Ich war da. Ich war pünktlich, auf die letzte Minute, ich war pünktlich und wir hielten uns fest. Ich war glücklich. Ich war da. Er war glücklich. Ich war zu seiner Hochzeit gekommen.

Dankbar, glücklich darüber da zu sein, dabei zu sein, mitzuerleben, zu begleiten.

Die Trauung bewegend. Die Gesellschaft, Freunde und Verwandte harmonisch, liebevoll, brüderlich, einmütig. Freunde, Schulfreunde seit Jahren, feste alte Bindungen.
Jede Regung, Redewendung, Begegnung der Gäste spiegelte die Atmosphäre, die Gefühle, das Glück, den Dank, die Ausstrahlung Braut und des Bräutigams, Hochzeitsgesellschaft, an diesem Glanztag wieder.

Es war ein Fest.

Drei Tage bin, war ich insgesamt in Köln.
Dann wird der Flieger mich zurückbringen auf meine Tour, meine Reise Richtung China.
Der Einschnitt in die Fahrt, herausgerissen aus der Etappe, war notwendig, war heilsam, gut tuend, notwendig.

der Weg nach T´blissi

Lange nichts von mir gehört? Ich habe lange kein Tagebuch mehr geschrieben.
Die Zeit ist wie im Fluge vergangen.
Täglich eine Etappe, täglich kleine Schritte, täglich der Wechsel der Landschaft, der Orte.
Aufregend, spannend, bindend, ermüdend…..und auch erfüllend.

Am 20.6 fuhr ich 70 Kilometer von Sestafoni nach Kashuri – durch Imeretien, verlies mein kleines Weingut, hohe Räume wie in einem Herrenhaus, eine gewaltig große, breite Terrasse umschloss die erste Etage, die Hauptwohnfläche des rechteckigen Hauses.
Die Familie baut Weissweine und Rotweine, organische Weine, mit erdigen Tönen, ausgegoren, tiefe Farben,
nach der klassischen imertischen Art, im Qverni, in großen Tonamphoren, die im Boden eingelassen, eingemauert sind, aus.
Ich habe mich dort recht wohl gefühlt.
Ich fuhr über den Rekoti Pass, der mich seit mehreren Tagen beängstigte, vor dem ich mich etwas fürchtete.
Gute 50 Kilometer Anstieg, Prozentzahlen zwischen 3 bis 6 % Steigung im Schnitt, spitze Rampen von 8 Prozent. Es war meine Leistungsgrenze. Vorsorglich habe ich mein Gepäck für diese Etappe einem Auto mitgegeben. Eine Erleichterung, die mir die Aussicht auf eine gut zu fahrende Etappe, dann, versüßte.

Am nächsten Tag ging es nach Gori, 58 Kilometer in den Geburtsort Stalins.
Unspektakulär, aber doch wieder einzigartig. Die Landschaft wurde etwas trockener, leicht hügelig, der Baumbestand ging zurück, für Landwirtschaft gab es aufwendige Bewässerungssysteme. Ich war froh dass es nicht mehr so bergig war.
Stalin wird hier immer noch geehrt. Vor dem überdachten „Elternhaus“, ein riesiges Museum und sein privater Waggon, machte ich, bevor ich meine Pension aufsuchte, noch ein paar Bilder und dachte an das was in diesem Land geschieht.

Stalin, Russland, die CCCP, Unabhängigkeitskriege, Apchasien und Ossetien, abgespalten, autonom, Einflüsse europäischer Erweitungsphantasien, amerikanische Bastion, Klammern an alte Bindungen, Unabhängigkeitswünsche setzen diesem Land, Bindeglied zwischen dem Okzident und dem Orient, Handelsweg, Teil der alten und neuen Seidenstrasse, zu.
Die Massen die täglich hier in Tiflis auf die Straße gehen sind nicht tausende, nur hunderte, es gibt bald mehr Polizei, duzende Fernsehsender, Plakate werden von Schreiberlingen in Serie gefertigt, mit Musik und Popkorn werden die jungen Engagierten, von der Geschichte und Historie Nichtswissenden, von den Hintergründen und Absichten voller Unkenntnis, bei Laune gehalten, geblendet mit Propaganda beschallt, fehlgeleitet. Weltweiter Alltag, heuchlerische diplomatischer Strategie, gefährlicher, völlig unterschätzter, hegemonialer Machtsphantasien. Kleine Wimpel der Nato flattern auf den Zelten einer Handvoll Demonstranten, die vor dem Regierungsgebäude campieren.

Ein weiterer zu beachtender, unumkehrbarer, nachhaltige Akt. Der Bau der neuen Autobahn, Abschnitte zwischen Batumi, Poti und Tiflis, vierspurig, breit, gerade, schnell. Gesehen habe ich ein Teilstück, Vorbereitungen für unzählige Baustellen, neuerrichtete Häuser für Bauarbeiter, die in Kürze kommen werden und in Windeseile eine Straße durch das gewunden Tal, über und durch die Berge, über die Flussläufe, über und durch die Dörfer treiben werden. Chinesen.
Die neue Seidenstraße, Ader der Wirtschaft, ein weiterer Arm, eine weitere Hand die zugreift, sich hineinkrallt, die mit, durch den Bau, das Land zu Verpflichtungen ihnen gegenüber, zwingen wird.

Das am Rande

Mzchtecka am 22.6.2019

Dann am nächsten Tag schon, 62 Kilometer von Gori nach Mzcheta, ein Ort mit einer über 3000 jährigen Geschichte, Zentrum wichtiger Handelsstrassen, der Seidenstrasse, alten Festungen, Religiöses Zentrum, Begräbnisstätte georgischer Könige.
Das war ein toller Tag. Er war anstrengend. Aber wunderbar. Ich glaube es liegt viel daran mit welcher Intention man in den Tag geht. Ruhig, gelassen, entspannt und freudigst gespannt auf das, was auf einen zu kommt, voller Vorfreude und guter Laune. 32° C, fast beständig einen 24 km/h starker Gegenwind und aufkommenden Böen mit 54 km/h, dazu Berge und knochentrockene Steppe, aber alles in allem war es in meinen Augen wunderschön, einsam, verlassen, karg.
Es ging an Steinzeitsiedlungen, Höhlen, Besiedlungen aus grauer, früher Vorzeit, vorbei. Wieder blickte ich auf Spuren frühester, menschlicher Geschichten, Menschheitsgeschichte, Orte, erste Zufluchtsstätten unserer Vorfahren, Geburtsorte, Plätze der Entwicklung. Ex oriente lux.

Es war ein tolles Gefühl durch die golden wirkende Steppe zufahren. Seit über 8000 Jahren streifen schon Menschen über dieses Plateau. Den Platz den sie sich ausgesucht hatten, sicher, erhaben und mit einem Blick über das ganze Tal, war mit bedacht gewählt. Er war sicher, er hatte Weitblick, einen Ausblick auf alles, was auf die frühen Bewohner, zu kam. Ja, heute war ein besonderer Tag.
Ich habe geschwitzt, gelitten und es genossen!
Es war auch einer weiteren Hinsicht ein besonderer Tag- an keinem anderen Tag habe ich so viele andere Fahrradfahrer getroffen wie heute. Es war wunderschön.
https://www.komoot.de/tour/74585888?ref=itd

In Mzcheta, nur 26 Kilometer von T´blissi, Tiflis entfernt, fand ich ein kleines Zimmer, direkt an einer erhöhten, großen Terrasse gelegen, mit freien, imposanten Blick auf die in Ruhe verharrende Kirche, die in warmem Licht eingetauchte Swetizchoweli-Kathedrale. Der Trubel der vielen Touristen verhallte zunehmend, es wurde leiser, Katzen schlichen umher, die gechipten, kastrierten, wilden Hunde legten sich zur Ruhe und ich genoss, an den Tag denkend, eine gute Karaffe, kühlen, trockenen Weisswein.

Seit Sonntag den 23.6 bin ich nun in Tiflis.
Die Einfahrt in die Hauptstadt ging über eine breite, autobahnartige, viel befahrene, schnelle Straße. Unkompliziert und unproblematisch. Überhaupt nehmen die Autofahrer, erstaunlicherweise, ganz anders als meine Erfahrung aus Motorrad-Zeiten, Rücksicht, halten genügend Abstand.

Die erste Pension, eine Empfehlung, stellte sich als unannehmbar, mit einer eine schmutzigen Küche, keinem Service, heraus. Ich fühlte mich dort nicht wohl. Es lohnte sich dann durch die Strasse, Gassen, steil auf und abfallende Wege zu streifen, an den unterschiedlichsten Türen zu klopfen, weitere Angebote in Augenschein zu nehmen und schlussendlich, befriedigt, glücklich das Etablissement zu wechseln.

Mein Visum für China,
was habe ich da alles schon gehört. Was wird alles benötigt, wer hat eines bekommen und wer alles nicht. Drei Tage habe ich an den notwendigen Formalitäten, Unterlagen und Nachweise die von der chinesischen Botschaft, für die Berechtigung und Erlangen eines Visums, verlangt werden, gefeilt.

Aufwendig. Sehr aufwendig.
Viele fragen sich ob sie sich das überhaupt antun wollen. In einen Staat zu fahren der die absolute Kontrolle haben will, hat.
Duzende Unterlagen, Namen von Mutter und Vater, Geburtstag, Namen und Adressen von Verwandten, Arbeitgebern, Nachweise über Einkünfte, Nachweise von Hotel und Flugbuchungen, Nachweis einer georgischen Adresse, Telefon und Arbeits- und Aufenthaltsnachweis.
Dazu Passbilder, eine Auflistung der aller besuchten Länder der letzten 5 Jahre.

Montag war ich zu spät- heute am Mittwoch fehlten noch weitere Unterlagen – dank meines super schnell arbeitenden Bankers (Kreissparkasse Köln – es sei ein herzlicher Dank gesagt ) – schaffte ich die notwendige Bestätigung noch kurz vor Toresschluss ran – es folgten Gespräche, Rückfragen und Versicherungen. Entlassen wurde ich mit dem Versprechen, dass ich am kommenden Montag mein Visum, 30 Tage Aufenthalt, einmalige Einreise, abholen kann.
Geschafft.
Auch ein Dank an das spitzen Weingut Van Volxem und Winery Zedafoni in Zestafoni für ihre hilfreiche Unterstützung

Tiflis T`blissi
Die Hauptstadt, wächst, der Tourismus boomt.
Es wird überall gelebt, in kleinen, hölzernen Verschlägen, in alten gebrechlichen Häusern, mit geflickten, gestützten Fassaden, in renovierten Altbauten, herrschaftlich, fein und in Neubauten.
Es hat unterschiedlichste Zentren, alte, moderne und neue. Eine vollkommen auf den Tourismus ausgelegte Restaurant, Bar und Cafeszene.

Es ist ganz schwierig etwas zu finden, vielleicht auch gar nicht, das überwiegend von den Einheimischen genutzt werden würde, das günstig ist, das ursprünglich ist. Tiflis ist teuer. Tiflis ist für georgische Verhältnisse teuer.
Tiflis ist auch für mich teuer. Denn ich will noch reisen, weiter reisen, muss sparen, mein Geld zusammenhalten, ich habe kein Einkommen mehr.
Man kann sehr günstig leben, selber kochen, in einem der unzähligen kleinen Märkte einkaufen, sich selber versorgen, Geld sparen.

Doch das eine oder andere gönne ich mir doch.

Der Wein hat es mir angetan.
Das eine und das andere Restaurant, Kaffee habe ich gesehen, besucht. Naja, mal war es ok, mal habe ich mich über die ignoranten Kellner geärgert, unfreundlich und unaufmerksam, mal über die durchgedrehte Besitzerin von einem Schuppen, hager, angesoffen, durchgeknallt, mal über die Preise, mal über den traurigen, weitverbreiteten Küchen-Standard mit seinen Convenient -Produkten, industrialisiert, vereinfacht, verbilligt, ein Horror, Geschmacklos, gleich.
Nach ein paar Bier, nach ein paar überteuerten Möchte-mal-gerne-auch-ein-guter-Wein-gewesen-sein, nicht nur auf der Rechnung, ein paar der überall gleichen Chinkalis, georgische Teigtaschen, die so schön exakt gleich gefertigt sind das nur eine Maschine das könnte, verließ ich den Hauptstrom der Touristen, stolperte durch eine Seitengasse, ein immer enger werdender Wege, dumpfes, schummriges gelbes Licht umgab mich.

Drei kleine Stühlchen auf einer Ecke, zwei kleine Tischchen die vor einem Lichtschacht zu einem ausgebauten Keller standen, ein Junge mit einer Kochjacke, eine Zigarette rauchend, neben einem Treppenabgang, steil, wiesen einzig auf ein kleines Lokal hin.
Ich hörte die leise Musik, ein schlanker Kerl kam heraus, lächelte, etwas nervös, zurückhaltend, wies einladend mit seiner Hand auf den Eingang, auf sein kleines Reich hin.
Ich folgte der Einladung, wollte sehen was sich so abgelegen dort im Untergrund verbarg.

Die Klänge der Musik füllten den Raum, umschlossen Herz, wärmte die Atmosphäre, waren ausgewogen, satt, nicht aufdringlich aber präsent, gaben Rhythmus, boten Raum sich zu unterhalten, untermalten die vom Hausherrn gewollte, erhoffte, ersehnte Stimmung.
Das Ambiente ästhetisch, schlicht, ursprünglich, vieles stark reduziert, Wände unverputzt, gebrannte Ziegel, schlichtes Holz ein paar Accessoires, ein altes Radio, ein alter Fernseher, schlichte, gedämpfte Beleuchtung.
Behaglich, aber nichts aufdringliches, nichts von dem um was es in diesem Laden geht ablenkend.
Alles auf den Genuss auf Küche, der Weine und Biere konzentriert.

Ich liess mich beraten.
Einen Weisswein, natürlich, organisch, ausgebaut, in einem Qverny, aus einer Tonamphore wollte ich probieren, einen guten, echten Tropfen erfahren.
Und er kam.
Und es ging weiter. Eingehüllt in die Klänge, den trockenen, erdigen Saft auf dem Gaumen, der Geschmack anhaltend, eine spontane Vergärung, eine lange Maischezeit der Weissweine, ausgereift, ausgegoren, versetzte mich dieses Lokal, dieser Wein in eine andere Zeit, an einen anderen Ort. Ich war raus aus dem Tiflis, dass ich letzten Tage gesehen hatte, raus aus der Hektik, dem billigen, dem touristischen, war angekommen in einem mit so viel Liebe und Hoffnung gebauten kleinen Tempel. Einen Refugium.
Ich nahm ein weiteres Glas, empfing eine weitere Region, erfuhr ein weiterer Winzer.
Eingelullt saß ich da, träumte, sah Anthony Bourdain an der Bar, fühlte wie er, wollte nun auch ein bisschen aus der Küche, bestellte mir ein Bruscetta, zarte, krosse Streifen, hart geröstet Weißbrot, eine feine Paste aus Forelle und Pilzen, überbacken mit einem würzigen aber nicht salzigen Käse, ein kleiner Salat, als Beilage, Walnuss Öl, keine überdeckende Marinade,
eine Trompete erklingt im Hintergrund, ein Klavier, Soul, Groove, leichte Takte, moderne Musik, zum dahin schmelzen. Warum spiele ich kein Bass Kontrabass?
Zupfen, nicken, trinken, kosten, genießen, Tack, atmen, Tack, atmen, Tack, bumm bumm.
Gut ausgewogen, auf dem Arm einer großen Amme, eingelullt und lallend.
Der Wirt kredenzend die Weine höflich, hoffungssuchend, den Wartenden, etwas Melancholie liegt in diesem Raum.

Ich muss einen Abschluss finden.
Seine Empfehlung, selbst gemachtes Bier, auch aus einem Tonkrug, ist dunkel, kaum herb, mit einer leichten Süße, malzig frisch.
Es ist überzeugend. Vielleicht das Beste dass ich je getrunken habe. Lecker.

Hier will ich noch mal hin

Der Wein kommt mir entgegen

Am Sonntag den 16. Juni machte ich mich auf und fuhr ins Landesinnere nach Khutassi, machte nach dem Küstenstreifen, von Batumi nach Ureki, neue Erfahrungen.

Georgien in Eurasien ein Staat zwischen Europa und Asien, in Transkaukasien. Ein Land auf der Grenze vieler alter Kulturen. Umgeben von Russen, Georgiern, Armeniern, Abchasen Aserbadjschaner, Lasen, Juden, Kurden, Deutschen, Kaukasiendeutsche, Schwaben die Anfang des 19 Jahrhunderts sich ansiedelten, und vielen mehr.

Zar Alexander 1 aus dem Hause Romanow-Holstein- Gottorp verheiratet mit einer Sophie von Württemberg, alle mit deutschen Wurzeln, erlaubte ihnen überzusiedeln, wies ihnen Flächen zu, mehrere deutsche Städte, Siedlungen entstanden.

Es ist wirklich spannend hier. Es ist ungemein vielseitig, kulturell, geschichtlich, Menschheitsgeschichte, Spuren frühester Menschheitsgeschichte, Eisen und Steinzeit, die mich fasziniert, über 10000 Jahre alte Funde, geographisch, von einem subtropischen feuchten Klima im Westen, fruchtbare Böden, dichter Wälder, zugewachsenen Urwald gleich, durchziehen steile Berge das Land, einsame Höhen mit abgelegenen, tiefen Täler, unwegsam, schließen im Osten trockene großen Steppen an.
Tiere, Nutztiere, Schweine, Ziegen laufen frei umher, Kühe stehen auf den Straßen, mitten im Verkehr in einer stoischen Ruhe, grasen am Wegesrand, in den Wäldern, zwischen den knochigen Eichen und dünnen Buchenstämmen, verweilen im Schatten, legen sich in den kühleren, verkehrsreichen Tunneln, der Sommerhitze entfliehend, mitten auf die Fahrspur.
Im Westen das Reich der Früchte, reife, vollfruchtige, frische und Gemüse, organisch, in kleinen Mengen, immer und überall an Straßenständen, Märkten ein unglaublicher Geschmack, ein Genuss, Sonnenverwöhnt, festes Fruchtfleisch, vollreif.
Tomaten die ihren Namen verdienen, Salatgurken, Melonen und derzeit Kirschen, Kirschen, Kirschen, gelbe, gelb rote und tief rote Kirschen. Kein Kribbeln auf der Zunge, keine Allergien erfahre ich hier, die Aprikosen, Pfirsiche hinterlassen nur Freude, Genuss und zärtliche Erinnerungen an die abgerundete Süße, der Saft der nach einem freudigen herzhaften Biss mir am Kinn herunter rinnt.
Hier startete ich meine neue Etappe.
Dazwischen Weinbau.
Sie lieben den Wein. Seit 7000 Jahren. Kachetien, Kartlien, Imereitien, Ratscha Letschchumi Namen der Weinbaugebiete die ich mir nicht merken kann. Aber an die Trauben, der Traubensaft, der Wein der auf der Zunge und Gaumen lange in Erinnerung bleibt.
Es herrschen perfekte klimatische Bedingungen.

Das war nicht leicht heute. Manchmal, das möchte ich gerne eingestehen, habe ich ein mentales Problem vor größeren Etappen. Anders ausgedrückt- ich mache mich selber jeck.
Die Bedingungen waren gegeben. Eine Strecke von ca. 100 Kilometern lagen vor mir, 350 Meter bergauf, trocken, alles Asphalt, 30 Grad Celsius.
Genuss kostet und hinterlässt Spuren. Der Genuss kostet Kraft. Ich liege bei knappen 110 Kilogramm, gut verteilt, fette Waden, nett von den 3000 Kilometern definiert, nicht allzu dicken Oberschenkeln, das war vor 25 Jahren mal anders, einem zarten Bauch, und einem sehr schönen Rücken. Mein Gepäck schätze ich auf ca. 38 Kilogramm, das Rad 17 Kilo, plus Getränke ( davon habe ich reichlich gebraucht- gute 7 Liter) und etwas Essen nehme ich meist mit.

Eigentlich lief es. Ich machte mir nur gestern zu viel Gedanken, schlief schlecht und die Stimmung war heute morgen mies – ich hatte keinen Bock.
Und dann setzt du dich trotzdem drauf (ich) und rollst los- nach 5 Kilometern war alles im Tritt.
Zum Schluss war der einzige Fehler nur- im Schnitt war ich für den Tag zu schnell.
Die Sonne, die Hitze, man schwitzt, man laugt aus.
Zwei Pausen gab ich mir, die ich dringend brauchte, etwas aß, viel trank, Luft schnappte, durch atmete.

In Khutaissi angekommen, platt, aber mit der Leistung sehr zufrieden, schmiss ich mein Gepäck in ein Zimmer, buchte es für 2 Nächte, ging duschen und dann raus an den Rioni. Ein wilder Fluss, grau von den Sedimenten, rauscht er kräftig und ungestüm durch den Ort, ich betrachtete ihn, etwas ehrfürchtig, beeindruckt von der Geschwindigkeit, strahlt er mit seiner Kraft und beständigen Drang vorwärts zu kommen eine Ruhe, die ich spürte, mich durchdrang, aus.
Ein Tag Pause in Khutaissi
Die Weiterfahrt, sollte kurz sein, sollte mich nur an den von mir gefürchteten Rikoti Pass mit 960 Höhenmeter, extremen Steigungen heranführen, 45 Kilometer kurzer entspannter Anfahrt bis nach Sestafoni bringen.

Was man auf 45 Kilometer alles erleben kann, ist kaum zu beschreiben.
Es wurde in den letzten Jahren eine Autobahn zwischen der Küste und Tiflis gebaut. Wie weit sie gediehen ist, ob vollständig oder nur Teilstücke fertig sind weiß ich nicht. Auf meiner Route, mit meiner Navigations app errechnet, endete meine Straße vor der Autobahn in einem Feldweg. Es begann eine fast dreistündige Fahrt über Feldwege, Flussbetten und Geröllpisten. 32°C, staubtrockene Pisten.
Und dann bemerkst Du irgendwann dass die Navigation Dich Umwege, zusätzliche Rampen, und extra fette Gerölltrassen fahren lässt.
Eine feine, glatte Betonstraße querte meinen Weg. Ich wurde aufmüpfig. Es war eine Rebellion gegen die Maschinen, gegen die Computer, das Gefühl einer wieder erwachten Macht bestärkte mich. Mutig bog ich ab. Ignorierte jedes Gemeckere, – sie haben die Tour verlassen – orientierte mich nur nach der Himmelsrichtung, den parallel laufenden Bergrücken, und Eisenbahnlinie, fand instinktiv auf die alte Bundesstraße und fuhr stolz und beruhigt auf mein angestrebtes Ziel Sedafoni, ohne Schlaglöscher und Flussbetten zu, ersparte mir so einen kleinen unbedeutenden Schreikrampf.

Der Wein kommt mir entgegen.

Die Pension, hoch am Hang gelegen, eine letzte Rampe über 12%, ich steige ab, schnaufe, schiebe das Rad entpuppt sich als kleines herrschaftliches Haus, einem kleinen Weingut, es sind Weinliebhaber, Winzer.
Übernachtung für 2 Personen, 16,-€, Abendessen 14,-Lari, Frühstück 8,-Lari, Glas Wein 2,- Lari der halbe Liter 4,-Lari ( wir erinnern uns…3 Lari sind 1,-€)

Hier bleibe ich.
Werde schreiben, lesen und mich weiter um mein China Visum, einer Aufenthaltsbegründung in Georgien für die chinesische Botschaft arbeiten.
Mir den Weinkeller anschauen, die Weinberge, etwas über die Trauben, den Ausbau, die Vinifizierung erfahren und hoffentlich nachher auch im Fluss schwimmen gehen.

Kette wechseln

Kette spannen

Kette spannen war nicht mehr – Kette war durch.. ich brauchte eine neue.
Nach 3000 Kilometer.

Es wurde ja langsam mal wieder Zeit aufs Fahrrad zu kommen. Erst 3 oder 4 Tage in Odessa, dann zwei Tage auf dem Schiff und dann Batumi. Man kann sich dran gewöhnen. Nachdem ich eine neue Kette gebraucht habe, ich habe tatsächlich nach 3000 km eine Kette so verschlissen dass ein Austausch dringend empfohlen worden ist, sie war in alle Richtungen komplett ausgeleiert. Ein voll beladenes Fahrrad und ein leichter Junge obendrauf der das Stahlross über die Berge getreten hatte waren auch für eine Qualitätskette genug.
Habe ich mich dann heute wieder aufs Rad gesetzt. Es waren nur 50 km. Das ist wirklich nicht viel. Aber verdammt noch mal, diese zwei kleinen Spitzen auf der Strecke haben mir ganz schön die Luft weg genommen. Zwischen 6-8 % bei 30°C und unglaublich schwüle Luft lief mir der Schweiß in Bächen herunter. Wäre da ein Dritter von dieser Kategorie gekommen hätte ich den Glauben verloren. (Ich hätte es geschafft aber ..,,)

Einwenig ist die Küstenstraße, die sich durch ein dichtes Grün, stark welligen Bergen, tief einschneidenden Täler, Tropen artig bewachsen, Palmen und dichten Bambushainen, windet, schon durch einen Tunnel entschärft worden. Doch ansonsten läuft sie weiterhin schwungvoll die Hügel rauf, steil in den Gräben folgend, die Berge runter, folgt Eisenbahnlinien und alten Küstenpfade, vorbei an verrottenden Hotelruinen und direkt danach gefolgt von modernen florierenden Neubauten. Was das einem Ende, des anderen Erfolg zu sein scheint kann ich nicht erkennen.
Ureki, mein Tagesziel.
Ich habe hier einen Tag dran gehängt: Schwarzes Meer, heißer schwarzer Sand, ein milder Wind, warmes wenig salziges Wasser, Musik bis spät in die Nacht, geplärre aus allen Boxen, Grill-, Bier und Schiessbuden auf der Landstraßen Promenade, Ballerman und Mallorcafeeling, für Russland, Georgien, Aserbaidschan. Noch ist es recht ruhig hier, die Ferien, die Haupturlaubszeit, die Saison hat noch nicht eingesetzt. Was hier los ist wenn erstmall alles aufgefahren wird, wäre spannend mal zu er fahren. Georgien ist immer noch, auch wenn hier für die Touristen die Preise stark angezogen worden sind, für uns, ein günstiges Reiseland. Darf aber nicht darüber außer acht lassen , dass sich diesen Strand viel andere hier nicht leisten können.
Aber ich habe nicht nur einen Bade und Strandtag eingelegt. Es ging auch um Routenplanung, Reiseterminplanung und die Frage: wann werde ich wie und wo mein China Visum beantragen.

Morgen, am Sonntag den 16.Juni, geht es langsam in die Berge. Ich will nach Khutaissi.
Ich komme dann dem Georgien näher. Vorder-Asien, dem Asiatischen Kontinent

die Melodie Batumi

12.6.

Batumi hat viele Melodien,

teils ein betagter alter Badeort, teils Domizil gut Situierter, teils kurzzeitiges Urlaubsziel neureicher Anrainer.
Es lebt die Altstadt vom alten Glanz, vergangenem Glamour, Blüten herrschaftlicher Zeiten
es pulsiert das Leben einer neuen Generation,
es regiert die Lust auf Wein, kurzweiliger schneller Entspannung, zwischen steiniger Küste, Weinbars, und einer unzahl thailändischer Massagesaloon.

Ich habe die Vorstadt, die Außenbezirke noch nicht gesehen.
Aber das Leben, der Tourismus konzentriert sich auf die Altstadt und einem Kilometer langen Meerespromenade.

Es ist warm, schwül warm, die Wäsche trocknet nicht mehr so schnell, ein laue Brise geht über diesen Ort. Mittags steigen die Temperaturen…man sehnt sich auf den frühen Abend, eine leichte Abkühlung, auf ein kaltes Bier…einem leckeren georgischen Wein.

Tags hört man Chanson, es klingt nach italienischen Liebesliedern, französische anmutende verträumte Klänge.
Die Nacht bricht ein. Die Straßen werden von mehr und mehr Autos belebt, sie fahren leise, viele Elektrofahrzeuge, es wird kaum gedrängelt, es ist eng, man arrangiert sich.
Ich habe das Gefühl in den Straßen klingt das Leben nach einem melancholischen Liebeslied, verlassene, befriedigte, Zigaretten rauchende Einsame und glückliche Paare sitzen an den Bars, im gelblichen Licht, trinken Wein, träumen von gestrigen, hoffen und leben auf das Morgen, lachen, reden und lassen entspannt die Zeit verrinnen.

Ich spüre Belmondo, le Professionnel, der Profi…erinnere mich der Klänge, der tiefgehenden Stimmung die Morricones brillant mit seinen Werk vermitteln konnte. Sie untermalen mein Auge, erreichen mein Herz, bilden den Rahmen der Empfindungen für den Abend.

Das Abendessen wirkte auf der Karte abgebildet, frischer, saftiger. Doch wirken die Grundzutaten hier alle natürlicher.
Ich kann mich an die meist immer nur milde gewürzten Speisen nur wenig gewöhnen. Nur zu langsam. Unser Gaumen, in der Heimat, belastet von Geschmacksverstärkern, über und versalzen, nach gesüßt, die schlechten Speisen industriell gefertigter Nahrungsmittel, Ergänzungsmittel, kaum verdaulicher fetter, kalorienreicher Fabrikprodukten haben unsern Geschmack, die Rezeptoren versaut, abgetötet geschwächt.
Schon seit dem Balkan ist mir aufgefallen, dass hier Speisen weniger gesalzen, weniger nach gesüßt sind als in unserem so fortschrittlichen Westen.
Tomaten dürfen sich hier Tomaten nennen.

Der Ort ist gestopft voll mit Hotels, Pensionen, Guesthouses, billige bis extravagante Absteigen.

Georgien steht nun an.
Eine neue Simkarte ist besorgt, die erste Orientierung zu Orten, Distanzen zu gefasst. Wäsche wird gewaschen. Ich war beim Barbier, wurde rasiert, frisiert, mit Heißwachs Haare aus Ohren und Wangen gerissen, der Zopf gekürzt, die Kotletten gestutzt, der Schnäuzer entfernt, mit Paste die Falten gestrafft, mit Cremes die Haut gepflegt, mit Rosenwasser die Haut massiert.
Jetzt muss ich langsam noch mein Rad richten. Die Kette pflegen, reinigen, spannen und neu fetten. Arbeiten die alle 500 bis 1000 Kilometer notwendig werden. Hier alle drei Wochen, zu Hause einmal im Jahr.

Morgen soll es weiter gehen. Etwas unruhig, gespannt bin ich auf meine nächste Tagesetappe, der Küste entlang, Richtung Poti. 400 Kilometer, etwas mehr oder weniger sind es bis Tiflis, es kribbelt, etwas unsicher bin ich, mache mir Gedanken zu den nächsten anstehenden Visa Angelegenheiten, hätte gerne weniger Gepäck, kann mich bis auf ein paar Kleinigkeiten von nichts trennen. Selbst Kleinigkeiten mit nur einem geringen Gewicht stehen zur Disposition, werden in die Wagschale geworfen. Eine Baseballkappe, ein extrem kleines Stativ, eine kleine zur Zeit Leere Dose, ein zweiter Akkupack….eine Regenjacke, denn ich hätte ja auch noch einen Poncho, nicht so schick, aber leichter.

Viele Gedanken zu der nächsten Stufe, rein nach Vorderasien. Es wird warm werden, es wird heiß werden. Und es wird in die Berge gehen.

Aber gleich erstmal die Kette spannen.

auf die Greifswald

6.6. Odessa – Geraldine kommt nach Odessa zu Besuch
7.6. Odessa – Ein Spaziergang
8.6. Odessa – Ein Besuch in der Oper – Aida
9.6. Tschornomorsk – Fähre „Greifwald“ nach Batumi, Georgien
10.6. auf der „Greifswald“
11.6. auf der „Greifswald“ –Ankunft in Batumi

Ich habe noch viel Zeit, Geraldines Maschine aus Istanbul kommend, wird erst zum Nachmittag hin, landen.
Ich genieße unter schattenspendend Bäumen ein vorzügliches Mittagessen, herrliche frische Salate, kreativ zusammengestellte, komponierte Köstlichkeiten, fein, Limonaden alle a la Minute neu angesetzt, mit einer freiwählbaren Süße, Limonen, Ingwer, Minze. Es gibt sie variiert mit weiteren Früchten, Orange, Mango, Pfirsich, aber auch mit pürierten roten Früchten, Erdbeeren. Es gehört zu einem der besseren, teueren Restaurants, die Ausstattung ist geschmackvoll, der Service, schnell, umfangreich, höflich und hübsch.
Zu der Rechnung am gestrigen Abend reichte man mir noch eine Schale Erdbeeren, für den Rest der nicht beendeten Flasche Grauburgunder gab man mir eine eigens dazu geschaffene Tasche kostenlos mit. Für Ukrainische Verhältnisse ein teures Restaurant. Gekostet hatte mich das Mittagessen, bestehend aus 2 wunderbaren Salaten und gegrilltem Gemüse, einem Liter Limonade und einer große Kanne Fruchttee 12,- oder 14,- €.

Odessa versetzt deine Gedanken spielend ins vergangene Jahrhundert. Jugendstilbauten. Eine fantastische Architektur. Breit angelegte Chausseen, großes Blattwerk mächtiger Bäume spendet in der schwülen Hitze der freien Plätze, eine angenehme Kühle.
Ins vergangene Jahrhundert.
Ich lese eine Biografie, Gertrude Bell, Königin der Wüste, das außergewöhnliche Leben der Gertrude Bell. Nun, ja. Außergewöhnlich war ihr Schlag, ihre Kraft, ihr Wille, die Umstände, ihr Eigensinn, Tatkraft und Wissensdurst. Eigenartig zu lesen, eine Biografie, gesammeltes Wissen über diese Frau, gesammelt aus Briefen, Berichten und erfasst aus den Beschreibungen ihrer eigenen Bücher. Gertrude.

Flughafen Odessa.
Ich habe mich an einen Taxifahrer, Artem, hauptberuflich ist er Imker, gewöhnt. Ich werde weiter mit ihm fahren. Er ist etwas teurer als normal, nimmt gerne von den Touristen das doppelte, oder soviel er nun gerade bekommen kann, feilscht gerne, kullert mit seinen Augen, setzt ein verschmitz freundliches Lächeln auf, lacht und wenn er zufrieden ist klopft er dankend einem auf die Schulter.
So kostet mich die Fahrt zum Flughafen nicht 3,-€ (40 Minuten) sondern 6,-€. Er ist glücklich.
Dafür habe ich einen zuverlässigen Fahrer.
Am Sonntag den 10.Juni kommt er eigens mit einem Transporter, pünktlich, schafft so, Geraldine und das ganze Gepäck, das große Fahrrad, zu dem über 24 Kilometer entfernten Fährhafen, wartet geduldig vor der Fährbüro, bringt einen zu einem entlegenen Restaurant, übersetzt die Karte, gibt hilfreiche Tipps und bringt uns dann zu dem 2 Kilometer weiter liegenden Zoll und Grenzabfertigungsgebäude am Hafen. Wir sind glücklich.

Freitag den 7. Juni.

Wir machen nichts, alles und es ist genug.
Man kann ein halbes duzend Museen besuchen, die Katakomben, den Strand und weitere Sehenswürdigkeiten. Kann man. Man kann sich hetzen und rennen.
Man kann sich aber auch hinsetzen, etwas spazieren gehen, hier mal ein Kaffee, dort mal eine der herrlichen Limonaden schlürfen, in einem der viele Parks verweilen, die Atmosphäre spüren, aufsaugen, das craquille der Fassaden, die Blicke der Putten, das Grau der verhangenen, seit Jahrzehnten nicht mehr geöffneten, geputzten Fenster bestaunen, Wortfetzen, Bruchstücke verständlicher russischer Worte aufschnappen, Gespräche zu Kellnern, Studenten, Spaziergängern suchen und sich einfach in diese Stadt, geboren aus dem Ölboom vergangener Jahre, dem alten Glanz, einfühlen.
Mehr ging nicht an diesem Tag.

Samstag den 8.Juni 2019

Heute geht es in die Oper – Aida wird gegeben. Für mich ein seltenes, zu seltenes Spektakel.
Bis dahin arbeite ich mich noch durch ein paar ungeklärte Fragen, fehlende Antworten. Ich hatte nach Monaten den Mut gefasst, alte ungeklärte Fragen in meiner Familie, meiner Exfrau, meinem Sohn an zusprechen. Wir sind lange getrennt, seit einem viertel Jahrhundert geschieden, gehen seit Jahrzehnten andere Wege. Doch Wege kreuzen sich zu mal. Wege die man geht haben einen Anfang. Um sich auf seinen neuen Wegen zu orientieren, nicht die falsche Richtung einzuschlagen, dient ein Blick über die Schulter, ein Blick zurück, zu erkennen warum man über einen Berg, durch eine Schlucht, durch einen dunklen Wald oder über ein offenes Feld gegangen ist. Die Frage, sie lag mir auf dem Herzen, diente meinem Verständnis, zu meiner Orientierung auf meinem neuen Weg Richtung China.

Meine Reise Richtung China, sie löst mal Verwunderung aus, mal Unverständnis, mal Bewunderung aus.

Die Oper,
Ich hatte die besten und teuersten Karten gekauft. 300 Gwrina, 10,-€. Dann diesen Abend mit einem Glas Champagner und Kaviar Häppchen begonnen (jeweils 1,5-€).
Das Gebäude gewaltig, große geschwungene Treppen, Naturstein, Stuck, Fresken, vergoldete Lüster, im Saal dominiert das Rot des Samt, bespannt auf Stühlen, Decken, und Wänden
, das Gold auf den abgesetzten Schnitzereien, den Verzierungen auf dem elfenbeinfarbigen Grund, ein Erlebnis, eine Augenweide, ein Schmaus für viele Sinne. Ein brachialer, traumhafter Klang drang aus dem Graben, stimmgewaltig der Tenor, den Bass hätte ich mit Verdis Zustimmung lieber höher angesetzt, den Tänzern, Balleteinlagen an Szenen eines Stummfilms erinnert, eine ungewöhnliche Choreografie, versüßten den Abend
3,5 Stunden, 4 Akte ungewohnt.

Sonntag der 9.6. war mit Abreise, Abreiseformalitäten, lange Wartezeiten, aufwendigen Abfertigungen bestimmt.
Abfahrt aus Odessa gegen 12:30, Abfertigung Fährbetreiber 14:00, Zoll 18:00 betreten der „Greifswald“ gegen 18:30.

Abendessen mit hundert LKW Fahrer 20:00

Was freute ich mich auf diese Schiffsfahrt. Das strahlendweise Fährschiff, gefüllt mit unzähligen LKWs, ein paar wenigen Motorradfahren, Eisenbahnwagons, einem duzend zusätzlichen Passagieren und 2 Fahrradfahren, die Greifwald, kreuzt zweimal die Woche unter einer panama Flagge, über das Schwarze Meer.

Drei Mahlzeiten werden an Board geboten. Ausreichend, durchaus lecker, abwechslungsreich, über eine Lautsprecherstimme angekündigt, ermahnt pünktlich zu sein, zu festen Stunden, Minuten gereicht. Die Kabine, sauber, das Bett lang genug, eine kleine ausrechende Nasszelle schliesst neben einem eigenen Tisch und zwei Stühlen den Komfort für den Raum ab.

Die LkW Fahrer bestimmen das Bild.
Den Wagen abgestellt, die Kabine bezogen, eröffnen sie seit dem ein sich nicht zu unterbrechendes, nicht enden wollendes Besäufnis. Ich sehe niemanden der nüchtern ist, der nicht trinkt. Der nicht auf dem Aussendeck raucht, lacht, sich unterhält und die nächsten Biere holt, den nächsten Wodka reicht.
Das erste Bier sehe ich um 8:00 zum Frühstück, die ersten total desolaten werden unter Begleitung zum Mittagstisch eskortiert, gestützt und abgeführt. Bis zum Abendessen Literweise Schnaps konsumiert.
Es ist Montag der 10. Juni, gleich ist es 18:00 das Abendessen wird eingedeckt. Morgen Abend ab 21:00 müssen die Kämpfer, einsamen Fahrer zurück auf die Straße. Ich frage mich ab wann sie das systematische Abfüllen beenden. Nüchtern wird man in 24 Stunden bei 3 Promille nicht mehr.

Zwei Tage und ein paar Stunden werde ich an Board sein. Die See, bisher, ist glatt, ruhig, klar, türkisblau. Ein russischer Dreimaster zieht leise, in weiter Entfernung, an meinem Fenster, ein großes, Messing umrahmtes, mit vier schweren Drehverschlüssen geschlossenes Auge vorbei. Kleine Delphine kreuzen, durchziehen mit ihrer Finne das Wasser, spielerisch, seicht, lockern sie das Bild auf die Weite des Meers auf.

Zeit den Wind zu spüren, aufs Deck zu gehen, in die Ferne zu schauen.

Ex oriente lux

Morgen komme ich in Batumi an.